es

Indien wird gerne mit Hitze verbunden, und natürlich mit Armut, und beides ist durchaus da, doch ist das krasse Gegenteil ebenso da: viel Kälte und viel Reichtum. Angeblich tummeln sich hier die meisten Millionäre, die sieht man natürlich weniger als die Armen. In Delhi war ich einmal bei Freunden zu Besuch in einer durch Wächter geschützten Colony, da sah ich im Nachbarhof fünf der teuersten Vehikel stehen, die man so kaufen kann, und sah dann den Mann, nachdem seine Frau ihm bei der Chai-Einnahme geholfen hatte, zu seinen Wagen hinuntergehen und dort eine Auswahl treffen. Der Gedanke, dass Geld die meisten Probleme löst, ist auch hier seit einigen Jahren voll in Fahrt. Es ist so ein bisschen wie die Freude vieler Menschen auf den Rentenabend, wenn alles, was nicht bedacht und praktiziert werden konnte, nun erscheinen soll, als würde dieses große Es schon auf einen warten und automatisch mit einem Ich in Verbindung stehen. Deswegen sehen in den Augen der derart Hungernden die Touristen oft aus wie Körper, an deren Hüften sich genau das befindet, was es zum Leben braucht. Die Touristen selbst sind eher wie Kinder, die sich oft mühselig durch das Fremde bewegen, weil sie ja keine Zeit hatten für das Andere, nun aber schockartig mittendrin sind. Die indische Kultur ist wahrlich nicht leicht zu verstehen. Alles sieht so ausgereift auch über die Jahrtausende hinweg, und es ist auch die letzte Kultur, die sich der gähnenden Leere des Erloschenen zuneigt und ganz von ihr absorbiert werden wird, bevor etwas Neues entstehen kann. Man weiß hier, dass es passieren wird, aber man weiß nicht wann, und überhaupt: wie soll man den Kipp-Punkt genau erkennen, wenn etwas ganz eindeutig nicht mehr d a s ist, was es mal von sich selbst dachte. Und so bewegt sich alles in unermüdlicher Stetigkeit dahin. Gestern sah ich unten am Wasser eine orangegekleidete Nonne auf dem glitschigen Stein ausrutschen und bis zur Hüfte ins Wasser gleiten. Ein junger Mann eilte zur Hilfe, aber sie war nicht verletzt und ging bereits weiter. In ihrer rechten, erhobenen Hand hielt sie ein Smartphone, dem zum Glück nix passiert war. Trocken und sicher lag es dann da rum, während sie ihre Kleidung auswrang. Man kann ja viel Schrecken nachvollziehen, und alles ist Teil des lebendigen Feldes, isn’t ist?

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert