belegen

Für mich ist die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr mit sehr positiven Erfahrungen belegt, und ich sehe sie gerne als eine Hängematte, in der es sich gut aufhalten und kontemplieren lässt. Froh bin ich auch, dass ich an keinem Postamt Schlange stehen muss, um Pakete zurück zu senden mit Dingen, die mir nicht gefallen oder gepasst haben, oder in Läden Gutscheine in Ware umwechseln, aber wer weiß, das alles kann ja auch Freude hervorbringen, vermute ich zumindest. Man glaubt nach so vielen Lebensjahren, die Menschen etwas zu kennen, aber so ist es nicht. Es ist gut, sich eine Bereitschaft zu erhalten, sich mit ihnen auseinander zu setzen, wobei das einiges Training benötigt. Auf der einen Seite möchte jede/r  einzigartig sein, was ja auch der Fall ist, aber was für eine Einzigartigkeit entwickle ich denn, wenn ich mich gleichzeitig jahrelang menschlichen Standards unterwerfe oder verpflichten muss, bis ich mir einen gewissen Prozentsatz an Selbsterkenntnis erworben habe und stabiler werde in meinem eigenen Denken und Sein. Man muss bereit sein für lange Strecken von Einsamkeit, bei denen der Wunsch nach Zugehörigkeit nicht erfüllt werden kann. Vor allem gehöre ich zu mir, und wenn diese Beziehung gut ist, wird auch die Beziehung mit einigen anderen Menschen sich gut entwickeln. Das Maß an Selbsterkennen bietet einen bestimmten Schutz gegen die Verführbarkeit…von geheimen Sehnsüchten, von ungestillten Hungerattacken, von fanatischen Meinungsverbohrtheiten, von einer geradezu unausweichlichen Abneigung gegen bestimmte Verhaltensweisen, über die wir gerne an uns selbst erschrecken können, was ja immerhin eine Schneise bildet zu potentiellen Veränderungen, wenn erwünscht. Aber auch da ist viel Scheitern, denn wir bewegen uns auf die Phase der Meisterprüfungen zu. Die spielen sich vor allem im Kleinen ab. Zum Beispiel möchte ich mich auf keine Diskussionen über Impfen oder Nicht-Impfen mehr einlassen, aber wird es mir gelingen? Ein Satz löst sich aus meinen Archiven und segelt auf mich zu. Er ist schön und brauchbar: Ich stelle eine Wache vor meinen Mund und behüte das Tor meiner Lippen. Ursprünglich bat wohl ein Mensch Gott um diesen Beistand, aber ich sehe nicht ein, warum ich das Tor meiner Lippen nicht selbst behüten kann. Es ist ratsam, öfters mal stocknüchtern zu sein in der Selbstbetrachtung, damit man sich rechtzeitig beim Gaukeln erwischt. Ansonsten hat mich ein Mord berührt, der am zweiten Feiertag in Hamburg passiert ist. Ein Mann erschießt sich, zwei Kinder im Alter von 11 und 13 Jahren, und die Mutter. Drei sind tot, die Mutter lebt und wird schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert. Bevor man sie ins Koma versetzt, fragt sie nach ihren Kindern, die gibt es nicht mehr. Wie kann es so einem Menschen gelingen weiter zu leben. Menschen überleben unvorstellbare Grausamkeiten, das reicht weit über ihre eigenen Vorstellungen hinaus. Wir alle kennen die Morgen, an denen es schwerfällt, ein heiteres oder wohlwollendes Gemüt zu produzieren, nicht, dass man muss. Man kann sich Zeit geben oder nachfragen, wie es einem geht. Aber nicht mit ermordeten Kindern, oder geschlagenen Frauen, oder tiefschürfenden Verletzungen, die nicht mehr heilbar sind. Man kommt um das Nachdenken, wer man in diesem Leben sein möchte oder kann, nicht herum. Wer soll einem helfen?

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert