Die Lage

Wir müssen anerkennen, dass wir eigentlich gar nicht genau wissen können, in was wir da gerade drinstecken, denn meistens denken wir ja nach und nicht vor, wobei auch das Vordenken hilfreich sein kann, wenn angebracht. Nun ist aber seit dem Hereinpreschen von Omikron in die Seinslage gar kein Ende abzusehen von dem, was wir (noch) gar nicht wissen können. Und wenn es schwer zu bewältigenden Stoff gibt, den wir Menschen nicht verarbeiten können, entsteht Stau und Frustration und Verstopfung. Wer möchte schon die sorgsam zusammengefügte Lebensgestaltung plötzlich auseinander fallen sehen? Zwei Jahre Pandemie haben dafür gesorgt, dass das Gefühl sich ausbreitet, die Erwartung der Anfänge dieser gestörten Zeit könnten nicht erfüllt werden und die heiß ersehnte Normalität sich nicht mehr stabilisieren, wenn sie denn jemals stabil war. Nein, sie war eben gar nicht stabil, nur durch Gedankenstränge zusammengehalten und zu eigenen Konstrukten gemacht und für gesellschaftsfähig erklärt, halt so, wie man es selbst macht und denkt. Und nun naht sie, die große Herausforderung, wie man umgeht mit den neuen Vorgängen, mit denen man am wenigstens gerechnet hat. Gehöre ich zu einem Land, das besorgniserregende Infektionszahlen hat, ist zwar (z.B.) Reisen noch möglich, aber ganz sicher will ich bei aller Hoffnung, mal wieder nach Indien fliegen zu können, mich dort nicht gleich in eine Quarantäne begeben müssen, um die restliche Zeit mit Maske herumzulaufen. Denn aus jeder indischen Kehle höre ich eine andere Berichterstattung über das, was angeblich an dem Ort, zu dem ich will, stattfindet. Auch weiß ich, dass man das hier und dort den Winter nennt, aber das ist ja nicht so einfach, hier nirgendwo mit dem Auge im Draußen auf Schönheit zu treffen, da will man gar nicht mehr hinaus, was sehr ungesund sein soll. Drinnen hat man allerdings noch ein ordentliches Maß an Freiheit, eben u.a. auch, sich mit der stetig sich entfaltenden Realität in Verbindung zu setzen, soweit man sie eben realisieren kann. Das eine ist der Umgang mit dem eigenen Zustand, das andere die kollektive Befindlichkeit, das, was über den Äther auf uns einströmt, die Atmosphäre also, von der wir umgeben sind und die wir nicht anders erfahren können als durch uns selbst, wir selbst also als Kern und als Filter, immer alles gleichzeitig, eben einerseits draußen mit großer Teilnahme, und andrerseits zurückgezogen in den Eremit*Innenbehausungen, wo nun Freundschaften möglich sind, und die Einsamkeiten aufgehoben in flackernder Wärme. Wir können uns glücklich schätzen, dass kein Krieg um uns tobt, sondern eine Pandemie, um deren Zähmung an allen Ecken und Enden gerungen wird. Denn das Abenteuer hat uns ja nicht in einem Vorher erklärt, wie es aussieht, und in der Tat, es ist und bleibt voller Überraschungen, und wann geht es nicht um Leben und Tod?

 


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