positionieren

Positionieren, oder besser „sich“ positionieren heißt für mich weder, dass ich nur e i n e Stellungnahme zur Verfügung habe (oder haben muss), noch, dass ich ein Gefäß voller Meinungen bin, die sich jederzeit über alles Daseiende ausbreiten können, das meiner ganz persönlichen Weltsicht zur Verfügung steht. Wie wir von unseren herumströmenden Gedanken wissen, kann das mitunter ziemlich eng werden. So habe ich mich zur Abwechslung auch mal wieder kurz aufgeregt darüber, dass ich unter Umständen, sollte ich mich zum Boostern entscheiden, nun damit rechnen müsste, einen Impfstoff zu akzeptieren, für den ich mich gar nicht entschieden habe. Man kann auch die persönliche Freiheitswahrnehmung so lange und so weit in alle möglichen Richtungen dehnen, bis man von herben Erwachungsgongschlägen in erfrischte Realitätszustände hineingeboostert wird. Alle großen Freiheitsorgien erlebten solche Einbußen. Zum Beispiel „Make love, not war“ war solch ein radikaler Gedanke, gebremst durch naives Liegen in der Hängematte des Zeitgeistes. Und im Zuge dieses radikalen Soges konnte man sich durchaus wohlfühlen im Empfinden, man wäre bei der freizügigen erotischen Herumwanderei richtig gut aufgehoben. Alle die, die dann, aus welchen Gründen auch immer, Eltern wurden, hatten es nicht mehr so leicht, denn es stellte sich bald heraus, dass z.B. die Kinder von Meditierenden vor allem das Meditieren für sich selbst nicht wollten, wie es auch Hesse in „Siddharta“ sehr schön beschrieben hat. Wie er nach all seinen eigenen Vorstellungen einer „besseren“ Welt und seinen extremen Anstrengungen dafür akzeptieren musste, wie anders alles war in der Wirklichkeit, die sich wie ein Teppich vor ihm ausbreitete. Und wir meist nur einen einzigen Faden und nicht alle Fäden in der Hand haben. Da kommt auf einmal so ein unsichtbarer, aber deutlich ausgedrückter Virenfremdling ins Spiel und schmeißt ohne Rücksicht auf Verluste den Würfelbecher aufs Schachbrett. Wo er noch nie eine Bedeutung hatte, dafür aber alle Figuren durcheinander bringt. Was hilft es dem König, wenn er empört ist, oder der Königin, wenn sie auf ihren Rechten beharrt usw. Am besten geht’s noch den Bauern, weil sie kleiner und standhafter sind. Aber auch das ist nicht mehr sicher. Gar nichts mehr ist sicher, alles ungewiss, keine Garantie mehr. Woran und wodurch man sich selbst schult, bleibt einem überlassen. Gut, wenn man nach getaner Arbeit noch einen erweiterten Raum aufsuchen kann, in dem diese Schulung Resonanz findet. Es geht doch um die Qualität des Menschseins, die man bestimmen möchte oder kann, oder geht es nicht darum? Wir können froh sein, dass es gerade keinen Weltkrieg gibt, wir Eingeweihte des Schlaraffenlandes. Es ist nur ein Virus, vielleicht nur herausgeboren aus unaufmerksamem Verhalten, menschlichem Verhalten eben, das sich selbst als das zum grenzenlosen Haben berechtigte definiert hat. Und wer soll einem ein Genug! vorspielen, bevor man es selbst verstanden hat, dass es nicht nur Grenzen im Haben gibt, sondern in direkter Konsequenz davon auch Grenzen des Seins. Etwas, was immer da ist, kann nie verloren gehen. Bei dem Versuch, es zu erreichen, spürt man, was im Wege steht, oder besser: wer. Der freien Sicht, dem unermüdlich Ungewissen, der Quelle also des Seienden.

 


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