Fenster


Der Druck der unerbittlichen Weite
Irgendwann einmal hatte ich entschieden, die Kommentare zu meinen Blogbeiträgen nicht mehr zu veröffentlichen und nicht, weil etwas zu fürchten war, so, wie manche in der Öffentlichkeit agierenden Menschen einen Shitstorm fürchten können müssen, sondern weil ich meine Auffassung von Kommentar bedenken oder justieren wollte, und Gespräche sind ja nicht immer möglich und brauchen für ihr Gelingen günstige Bedingungen. So kann ein begeistertes Yeah! genauso schwer zu verstehen sein wie die eher interessante Variante, die, in reflektierten Worten ausgedrückt, einen als Beitrag erstaunen kann, wenn sie so ganz anders ist  als der eigene Blick. Dann hat vor einer Weile ein junger Mensch, von dessen Kommentar ich ausging, dass es ein junger Mann war, weiß es aber nicht, sondern ich weiß eher, dass er auf Klicks für seine oder ihre Seite aus war, und dieser Mensch meinte also, meine Pinseleien, wie ich sie nenne, würden ihm sehr gut gefallen, allerdings fände er sie etwas depressiv. Interessant, dachte ich tatsächlich erstaunt, darauf wäre ich nie gekommen, aber natürlich kann ich mir das schon vorstellen, vor allem, wenn man mit dem eigenen Auge und einem Vergrößerungsglas darauf schaut und etwas nutzt als Spiegel, also Reflektion für die eigene Befindlichkeit. Ich habe also darüber nachgedacht, und nicht zum ersten Mal, wie ich selbst die Gestalten und Gestaltungen meiner Psyche betrachte. Es gibt zum Beispiel Momente, wo mich eine tiefe Zärtlichkeit ergreift für ihre Anwesenheit, ihre angenehme Fremdheit, ihr seltsames Eigenleben. Dasselbe gilt für die Wunden, denn auch Wunden können in einem eine Wärme hervorbringen, ähnlich einem schutzlosen Tier, und wo die Wahl der Handlung entfällt und man das Wesen aufnimmt vom Boden und an die Brust drückt und die Liebe zulässt, die aus ihr hervorquillt und über sich selbst hinausstrebt. Oder es ist mir wichtig, dass Fenster da sind. In fast allen meinen Bildern sind Fenster, die eine potentielle Weite andeuten, eine Möglichkeit der Sicht, eine neue und noch unerforschte Dimension, die ihre eigenen Gesetze hat. Aber natürlich ist auch jedes erscheinende Wesen auf einem Bild gefangen im Eingefrorenen, und zwar genau in d e m Moment, in dem der oder die Bildgestalterin sich lösen kann von der Schöpfung, der letzte Strich ist getan, alles Weitere würde wieder zerstören, Schluss aus, nichts geht mehr. Und da sind sie und bleiben, die Gefangenen dieses Nus, seit (und wenn) man sie entlassen hat aus dem geistigen Vorgang, aus dem Labyrinth, aus der Finsternis, aus dem Licht. Jetzt sind sie allein, haben zwar auch eine bestimmte Lebenszeit, aber die kann unter Umständen sehr viel länger sein als ein Menschenleben. Die berühmten Einzelgänger werden dann auch noch restauriert, denn da steckt viel Geld drin in dem Geschäft, das damit gemacht werden kann. Doch wer auch immer sein oder ihr eigenes Wesen durch die persönlichen Fähigkeiten, die man mitgebracht  und dann entfaltet hat, erkennen will oder kann, ist ja auch meist zufrieden, denn alles, was aus einem selbst entsteht, ist spürbar. Das macht es lebendig, beziehungsweise muss hier das Es zum Ich werden, denn es macht m i c h  lebendig. Wer sollte sonst dafür verantwortlich sein?  Manchmal, wie heute, gebe ich einem Bild nachträglich noch einen Titel, das ist dann noch einmal ein ganz eigener Schöpfungsakt.

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