Herde


Herdenimmunität
Zuerst habe ich das unselige Wort in den amerikanischen Nachrichten gehört: ‚herd immunity‘, etwas, wovon Trump mal nebenher gehört hatte und einleuchtend fand. Der Herd-Immunität könnte man noch ein müdes Lächeln abgewinnen, aber es heißt ja Herdenimmunität und ist nun durch Verimpfung auch hier angekommen mit Worten, die man nicht unbedingt in weitere Sprachen übersetzen möchte. Aber das wird gemacht oder ist schon gemacht worden, damit alle wissen, was es ist und werden soll, eben eine durchgeimpfte Menschenherde. Hat man schon mal den begeisterten Blick über bildschöne Herden gleiten lassen können, Schafherden, Ziegenherden, Kuhherden, dann weiß man, wie bereichernd das sein kann. Manchmal bin ich in Indien mit den meist noch kindlichen Hüterinnen und ihren Herden durch den Sand gelaufen, bis sich unsere Wege getrennt haben, denn sie mussten viel weiter gehen als ich, um noch genug Fressen für die Tiere zu bekommen. Aber wenn man eine Menschenmenge eine Schafsherde nennt, tut man Tieren und Menschen unrecht. Beliebt ist der Ausdruck in Religionszusammenhängen, wo sich meist Männer zu Hütern von Herden aufschwingen, wissend, dass so etwas stets von vielen gewünscht wird, eben den Hüter der Schafsherde. Bei Tieren freut man sich ja durch die allzeit beliebten Reportagen von fernen Wildebenen darüber, dass Herden ganz ohne Hüter prächtig zurechtkommen mit ihren eigenen, natürlichen Ordnungen. Wenn man eine Weile auf dem Planeten unterwegs ist, kommt einem das Leben der Menschen  gar nicht mehr so natürlich vor. Oder wenn man bei einem Geburtsvorgang dabei sein konnte, relativiert sich zumindest einiges in den persönlichen Vorstellungen von dem, was man unter ’natürlich‘ verstehen wollte. ‚Natürlich‘ finde, oder soll ich besser fände ich sagen, wenn Menschen  ihr Leben in gleichberechtigter und gleichberuflicher Freude als Hüter und Hüterinnen erfahren könnten, sozusagen den Garten und die Wüsten und die Wälder gemeinsam in Ordnung halten, so, dass jede/r das Optimale davon hat, das Natürliche eben. Aber offensichtlich gehört auch das Verrückt-Werden zu den Möglichkeiten des Menschen, und wenn das Verrücktsein als das Natürliche nicht nur verkauft, sondern auch gekauft und bezahlt worden ist, dann, ja dann, ja dann. Sie behandeln uns wie Tiere, sagen die Flüchtlinge in den schrecklichen Höllen der Menschenkultur. Man merkt kaum noch, dass es auch was über den Umgang mit Tieren aussagt, so wie im Tönnies-Skandal, wo die Schweine nicht mal erwähnt werden, weil man weiß, dass man s o weit nicht gehen darf mit den Nachfragen, denn in der Tat, vieles ist zu weit gegangen. Und wenn selbst die Hilfswilligen sich zurückzuziehen, weil sie an das Ende ihrer Kräfte oder Vorstellungen gekommen sind, dann lässt die Weltgemeinde halt Menschen irgendwo im Unerreichbaren verhungern und verdursten, oder benutzt sie beim Sterben als abschreckendes Beispiel für eventuelle Nachkömmlinge. Die Ratten, so sagt man, nagen an den Kindern, das habe ich schon mal aus den Slums von Bombay gehört. Da hilft einfach nichts mehr, vor allem aber keine Staubsammlungen von Mond und Mars. Das scheint eine ganze Weile weit auseinander zu liegen, die Themen, die Forschung, die menschliche Entwicklung. Aber nicht wirklich.

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