Lichteinfall

Mir gefällt gerade (u.a.) der Anblick dunkler Bilder, auf denen man außer einem geringen Lichteinfall nicht wirklich etwas erkennen kann, aber zweifelsohne ist das eigene System darauf geeicht, etwas zu erkennen oder zu benennen, auch wenn es gar nicht weiß, was da ist. In diesem Bild liegen schwarze, ausgetrocknete Blütenschalen von einem Baum aus Lissabon herum, und obwohl sie tiefschwarz sind, erscheint immer irgendwo an ihnen eine Helligkeit, die scheinbar unvermeidbar ist, will man nicht einfach in die völlige Dunkelheit schießen, um eine Finsternis aufzunehmen. Denn gerade diese Unvermeidbarkeit des Lichten macht ja die Ebene der Finsternis erst möglich, oder aber die Finsternis macht erst die Wahrnehmung des Lichtes möglich. Verborgen und doch präsent in den unendlichen Weiten menschlicher Vorstellungskraft sind auch die Grenzen, die sich zum Beispiel auftun, wenn ich zwar sehe, dass etwas da ist, aber ich dort keineswegs hingehen will. Deutschland ist ja bekannt für seine treue Krimigemeinde, und rumknobeln, wer der Mörder ist, macht ja auch Spaß. Aber nicht jeder Krimikomissar hat die Intelligenz eines Sherlock Holmes, von dem man erwarten kann, dass er einem vorführt, was logisches Denken ist. Hauptsache, man ist nicht selbst der Mörder, der gejagt wird. Da es zur Zeit  in den Medien um Virusbewältigung in der Weihnachtszeit geht, kostet es auch unterwegs keinerlei Mühe, alle Sendungen abzuschalten und keine Neugier aufkommen zu lassen, um irgendwelche Beschlüsse zu hören, und auch zum Mitleiden muss man geeignet sein. Berührend fand ich den Bericht eines jüdischen Arztes, der seine Betroffenheit darüber ausdrückte über einen schwer an Covid erkrankten Mann, der über und über mit Hakenkreuzen tätowiert war und ihn anflehte, ihm das Leben zu retten. Er hatte, wie er sagte, schon ein paar Mal Konfrontationen mit ähnlichen Situationen, also Patienten mit Haßabzeichen auf ihren Körpern, aber dieses eine Mal kam etwas in ihm hoch, das ihn fast überwältigte, bevor er sich wieder in seinen Ärztetreueschwur verwandeln konnte. Das flößt mir Respekt ein wegen dem ungeheuren seelischen Fiasko, in das wir Menschen kommen können und froh sind, wenn wir die richtigen Entscheidungen treffen in Momenten, die über Leben und Tod entscheiden, geistig wie körperlich. Was ich (auch) nicht mehr hören kann, ist dieses scheinheilige Geschwafle über die in diversen Pflegeheimen abgeschobenen Omas und Opas. Meine Mutter hatte eine Freundin, die noch allein in ihrer Wohnung lebte und die in der Nähe eines Altersheimes stürzte, wo man sie dann hinbrachte und ihr einredete, sie müsse da wohl besser jetzt auch bleiben. Als wir sie dann mal dort besuchten, geisterten unsere entsetzten Blicke über die mit Beruhigungsmitteln abgestumpften Leben, und meine Mutter flüsterte mir zu: Tu mir das nie an. Zum Glück kam ich nicht in diese Situation. In der Dunkelheit muss man den Blick schärfen und sich in den Differenzierungen üben, die einem geboten werden. Denn auch die Dunkelheit ist ein Raum, in dem man zur Ruhe kommen und die Geschehnisse sortieren kann, die durch einen hindurchgehen.

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