immer wieder

Gestern habe ich während einer Autofahrt die ersten Weihnachtsschmückereien in den Fenstern wahrgenommen, diese oft etwas biederen Gehänge aus der Kiste, in der auch die zerbrechlichen Kugeln liegen. Oder zerbrechen sie gar nicht mehr, weil vor allem aus Plastik? Es ist lange her, dass meine Augen in eine Weihnachtskugelkiste schauten oder über Lamettastreifen an den Zweigen streiften. Schon als Kind mochte ich Lametta nicht, nur den Namen. Ein Mann aus einem anderen Herkunftsland, also jemand, dessen Großeltern mal aus düsteren Gründen hierher zu uns emigriert sind und die deutsche Sprache besser beherrschen als viele Einheimische. Der also meinte, was ihm gefallen würde am Christentum sei diese Verkörperung menschlicher Liebe in Christus, also diese Menschwerdung der Liebe, oder sollte man es die Liebewerdung des Menschen nennen. Ein hehres und hohes Ziel, das muss man zugeben. Und es braucht eine Menge Kraft und Erkenntniswillen, bevor man eine einigermaßen klare Einsicht erhält in das Maß der eigenen Liebesfähigkeit, geschult an aktuellem Erleben und Interesse an der Erfahrungswelt Anderer. Denn mit den Anderen hat man, egal, wer man ist, das verfügbare Leben lang zu tun, und es nützt nichts, sie geflissentlich zu übersehen, denn am Ende des Tunnels sind sie das Licht, durch was d a s, was man im Dunkeln geworden ist, sichtbar wird. Hat man das mit der Weichenstellung irgendwann kapiert, kann sich die Hand am Lenkrad etwas entspannen. Erst dann ist es einem ja gegönnt, auch den angestrengten Umgang mit sich selbst zeitweise zu lockern, um von  der einfallenden Helligkeit nicht überrascht zu werden, sondern es freudig durch die Zellstruktur rieseln zu lassen, denn man ist wenigstens bei sich und kann tief durchatmen. Hier hört alles Dürfen und Müssen auf. Warum? Weil ich entscheiden kann, wie ich es sehe, und welchen Umgang ich mit dem finde, was mich umgibt. Es ist einerseits ein Ruhepol, an dem ich tief Luft holen kann, und andrerseits ist es ein Laufsteg, oder ein Sprungbrett, oder eine Landebahn, auf der ich meine Bewegungen ins Außen koordinieren muss, will ich dort draußen in irgendeiner Weise Anwesenheit erlangen.  Nun habe ich mich auch als Kind niemals damit trösten können, dass da mal einer herumlief auf Erden, der meine Krankheit trug und meine Schmerzen auf sich nahm, das war wohl in meiner Biographie nicht vorhanden. Tröstlicher erschien mir eine Zeitlang die Erotik indischer Gottheiten, deren Essenz und Prinzipien auf anderen Ebenen auch als abstrakte und exakte Formeln zu finden waren. Aber letztendlich, ja, worum geht’s? Da, wo Kälte und Lieblosigkeit herrschen, ist es nicht schön für uns Menschen. Und auch wenn da draußen immer mehr psychisch Kranke vor lauter Verzweiflung mit ihren SUVs in irgendwelche Menschenmengen fahren und Andere mitnehmen müssen in die Angst vor dem unheilvollen Abgrund, der sich da auftut für alle, ja, was versteht man da an der Schwelle zum Lichterfest? Dass es die Liebe ist, die man nicht verlieren darf/kann/soll? Wenn man sie finden konnte in sich, und sie immer wieder aktiviert, und das immer und immer wieder.

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