hineinversetzen

Wieweit man sich als Mensch in etwas oder jemanden hineinversetzen kann, wird immer von der jeweiligen Situation bestimmt sein, wobei man rechtzeitig weiß, dass keinerlei Hineinversetzung eine Garantie für präzise Wahrnehmung ist. Irgendwann in diesem Corona Epos wollte ich mich ab und zu einmal hineinzuversetzen versuchen in die Ernsthaftigkeit der Lage, die sich in einiger räumlichen Distanz zu mir abzuspielen scheint, und immer noch weiß ich nicht, wie und wo sich innerhalb von 24 Stunden 14 000 Menschen anstecken können, vermutlich weiß es niemand. Ich habe verstanden, dass der schwere Verlauf schrecklich ist, das will man nicht erleben. Eine Krankenschwester erzählte, dass sie oft Patient/Innen hat sterben sehen, die nicht glauben wollten, dass es sie erwischt hat. Zwischen Glauben und Wissen schlängelt sich eine dunkle Schlucht durchs Niemandsland. Dann gibt es so ein Geschöpf wie Donald Trump, denn geschöpft ist ja jede/r gleichermaßen, oder hört hier das gleiche Maß schon auf? Da überall auf der Welt Fernseher stehen und unermüdlich das in der Ferne gesehene in die Zimmerwelten tragen, kann man davon ausgehen, dass eine Menge Gehirne bewusst oder unbewusst versuchen, sich in die gegenwärtige Situation im Weißen Haus hinein zu versetzen. Und obwohl alle Zeitungen darüber berichten, kann man nicht mal ahnen (doch, ahnen schon), was sich dort wirklich abspielt. Niemand hat es bisher erlebt, niemand für möglich gehalten, dass wir Teil dieser Performance werden, in der langsam aber sehr sicher jegliche Vernunft aus den Fugen gerät, während draußen vor der Tür sehr viele Menschen sterben, mehr als sonst. Dass Amerika und Indien an der Spitze der Infektionszahlen stehen, weist auf etwas hin, was nicht leicht zu erkennen ist, denn man muss sich hineinversetzen können in den kulturellen Background, um dann erst die oft verblüffenden Ähnlichkeiten zur Kenntnis zu nehmen. Narendra Modi ist genau wie Trump, obwoh Modi, allerdings mit demselben Stolz wie Trump, seine Kindheit hervorlobt, also ganz das einst amerikanische Ideal, eben vom Teehausboy zum Immobilienmogul. Fakt ist, dass sie beide genau wegen dieser Geschichten zum Helden gekürt wurden, derselbe Traum, derselbe narzisstische Ehrgeiz. Dann die Persönlichkeit, die wegen der notwendigen Ausreden über die nichterfüllten Versprechen in die mühelose Kunstfertigkeit der Lüge versetzt wird und das Netz sich langsam zuzieht, bis die Verstrickungen nicht mehr zu bewältigen sind. Jeder kennt eine Dosis davon, deswegen wird das Erkennen mit dem Erwachen verbunden, was noch weit entfernt ist vom Handeln und seinen potentiellen Möglichkeiten. Dann der Mann in Trier, wo es einen einzigen Moment gegeben hat, als etwas in seiner Psyche endgültig aus dem Ruder lief. Und können wir die Menschen wirklich schützen, wenn neue Pfosten in der Fußgängerzone aufgestellt werden? Das vertrauensvolle Hineinversetzenkönnen hat wohl mehr mit bereitwilliger Neigung zu tun, mich unter gewissen förderlichen Bedingungen sehen zu lassen oder zu zeigen, was eben möglich ist in solcher Wärme, wenn die auf Eis gelegte Medizin auftauen kann und bereit ist für angenehme Verbindungen. Vielleicht geht es auch eher darum, einen guten Sitz in sich selbst zu finden, der in jeder Hinsicht zu einem passt. Bei der erfreulichen Sitzung kann es vorkommen, dass sich die Augen von selbst schließen und das Hörvermögen dadurch an Kraft gewinnt. Man hört dann praktisch die Worte, die man selbst denkt, und kann sie mit Anderen teilen.


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