schrecklich/schön

Das Schreckliche und das Erschreckende fällt einen manchmal an und kann in einer Herzgegend beim Aktivieren des Fühlens behilflich sein. Meist zielt es irgendwo hin, wo man etwas schwer Durchschaubares oder Verdaubares zu enträtseln sucht , oder wo es in einem weint um verlorene Wälder, um getötete Tiere und Menschen. Hier ist doch die Hölle los, das ruft man nicht wirklich aus dem Fenster, obwohl es nicht schwer zu verstehen ist. Man kann es auch die göttliche Komödie nennen oder das verlorene Paradies, schon immer war es alles für alle. In gewisser Weise und mit anderem Auge gesehen hat es durchweg eine inhärente Vollkommenheit, denn alle weben mit am Großen Teppich, und überall knüpft und spinnt es ununterbrochen. Deswegen kann man ja sehen, wie sich bestimmte Muster bilden und wirken, und wie es einem langsam klar wird, dass ich am Ende des Tages keinem (außer mir selbst) Rede und Antwort stehen muss für das, was ich da mitgestaltet habe und weiterhin mitgestalte. Wenn ich das von mir Verursachte an mich nehmen kann und es akzeptieren, dann kann das aussehen wie eine Ansammlung von Asche, und nicht immer ist Glut genug übrig, um die lebendige Flamme wieder zu entfachen. Aber es kann auch sein, dass das trockene Laub verheißungsvoll raschelt und ein Phoenix geboren wird. Das muss jemand erlebt haben, in welcher Form auch immer, sonst wüsste man nicht, dass auch d a s einen Wahrheitsgehalt in sich trägt. Dann gibt es das Erschreckende der Sensationsgier, die kichert, wenn einer gekreuzigt oder gefoltert wird. Die Traumatisierungen missbrauchter Kinder in zukünftigen Bürgern und BürgerInnen. Das Böse hat tatsächlich dieses Banale an sich haften, das einen im Glücksfall zwingt, genauer hinzuschauen und Klarheit darüber zu erlangen, wie man es selbst sieht und empfindet und welche Resultate sich daraus erschließen lassen. Es ist auch nicht so, dass die eigene Sicht immer reicht, nein, sie muss nicht verglichen, aber wohl abgeglichen werden mit den anderen Weltbetrachtungen und Sehweisen, um sich selbst besser zu verstehen und dadurch auch Andere. Alles hat die notwendigen Konturen, mit denen man umgehen muss, will man die gesetzten Grenzen öffnen zu freier Fahrt, frei hier gemeint als  definierbaren Kompass für die eingeschlagene Richtung. Und wer will schon selbst schrecklich sein, dabei kennen wir alle unser eigenes Schrecklichsein. Als Jugendliche habe ich 9x den Film ‚Iwan der Schreckliche‘ gesehen, ein Meisterwerk von Sergej Eisenstein. Abgesehen davon hat mich fasziniert, wie er innerlich zum Volk sprach und sagte, er werde ihnen zeigen, wie schrecklich er sein konnte. Natürlich gab es einen Auslöser, vermutlich der bohrende Schmerz von etwas Geleugnetem, aber dennoch Zugestoßenem, das nicht sein durfte, aber dennoch da war. Die meisten schrecklichen Dinge werden geboren aus der Lieblosigkeit. Wo Lieblosigkeit herrscht, werden weiche Konturen zu harten Grenzübergängen. Und manchmal müssen viele sterben, weil ein einziger Mensch, oder soll ich hier Mann sagen, abgelehnt wird oder verraten, oder missbraucht. Wenn die Blindheit zunimmt und viele schon zu lange nicht mehr tun, was sie können. Wenn ein Volk ohnmächtig abhängt, passiert dasselbe, als wenn ein Mensch ohnmächtig abhängt. Niemand hat gesagt, wir müssten etwas anderes werden als wir selbst. Aber das schon, das Sichselbstsein, oder eben tun, was man kann. Auch Asche ist Medizin.

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