Aye, Babalu (*)

Manchmal kann man sich ja vorstellen, wie Götter entstehen. Man ist daran gewöhnt (zum Beispiel), dass man irgendwo lange wohnt, es geht einem richtig gut, man ertappt sich nicht bei rigorosen Klagereden und dankt für die Zeit, die man am eigenen Kerngeschehen verbringen kann, vorne die Welt offen, in der sich von Sokrates bis Boris Johnson alle herumbewegen auf ihren Bahnen und Verursacher von Weltgeschehen werden. Doch nicht nur ertrinken weiterhin zahllose Körper im Meer, was das potentiell Vermeidbare ins Unvermeidliche drängt, doch das Wissen selbst über die Dinge stößt an vorprogrammierte Grenzen. Natürlich können wir weiterhin von Sokrates lernen, nur was ist es für jede/n Einzelnen, der nach den Antworten sucht, wie man ein Leben leben kann: ein paar hilfreiche Tips, ein paar Hinweise. Das kann sehr wohltuend sein, bei Rewe oder Aldi in schnellem Tempo die Gänge zu durchqueren, weil es in der Tat ziemlich wenig ist, was ich da brauche, oder auch sonst im Konsumgenuss lieber weniger vom Besten als zu viel vom weniger Gehaltvollen zu mir nehme. Ich erinnere mich an die Götter, die ich vorhin glaubte, mir entstehend vorstellen zu können. Na ja, nicht wirklich an diesem Punkt. Vielleicht war es einfach schön, irgendwo hindanken zu können, wenn man miterleben musste, wie die Erde sturztrocken wird, der Wald ein gefährlicher Ort, der Sitz am Schreibtisch ein wahrer Brütkasten. Da dankte man hin zu Indra oder zu Babalou, schenk uns wieder den Regen. Dann kommt der Regen (endlich), ja, und wem dankt man dann. Wenn man sich allerdings keine Götterwesen mehr vorstellen kann, die das Schicksal von uns  Menschen regeln, oder sogar nur ein Einziger, der alles regelt, dann muss man vielleicht kurz schlucken, sieht aber schnell, dass alles zu seiner Zeit richtig war und ist, und dass man auch als einzelner Mensch kein Atlas werden muss, um die Welt durch die Gegend zu tragen. Erst jetzt versteht man ja das außerordentlich Gute am Keine-Wahl-haben. Wenn man registriert, dass man keine Wahl mehr hat, dann kann man entspannen. Achtung, was heißt hier entspannen, man ist wachsam, diese Art von Entspannung also, ruhend im Wachsamen sozusagen. Man schlägt dem Widerspruch ein Schnippchen und lässt ihn einfach sein, was er ist. Ich finde es auch keineswegs unpassend, dass einige höchst widersinnige Gestalten gerade auf den politischen Hochsitzen herumturnen und jede souveräne Möglichkeit in eine Groteske verwandeln. Da ist man einerseits doch ziemlich ohnmächtig, weiß aber auch, dass im dritten Akt des Dramas meist Überraschungen auftauchen, bisher nicht Geahntes, kaum vorher Vorstellbares, ja, förmlich vorangetrieben von einem tief verankerten Vertrauen in redliches Menschsein, das man nun als entwurzeltes Gut erkennen kann. Noch betrifft das Sterben die Einzelnen, gemäß ihrer Zeit, gemäß unseres Schicksals, aber im Großen Sterben bleibt keiner unberührt, von der großen menschlichen Kälte  gibt es kein Trennen mehr, wenn man es fälschlicherweise als etwas Cleveres sah, mit dem man punkten kann durch kläglichen Einsatz. So bleibt es spannend, ob in der Straße von Hormus  oder am Küchentisch: Menschen auf einem kleinen, blauen Planeten, ganz unter sich.

*ehemaliges Lied, erinnert aus ferner Kindheit: Aye Babalu, schenk uns wiede den Regen. Aye Babalu, er bring Erntesegen. Das Land ist trocken wie Stein, das darf nicht sein, die Früchte sind klein, das darf nicht sein, die Quelle ist tot, hilf uns aus der Not…..etc


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