schleierhaft

Die Tochter der afghanischen Familie, mit der wir befreundet sind, verbringt ein paar Ferientage bei uns. Mit teilnehmender Freude haben wir sie in eine selbstbewusste junge Frau (15) heranwachsen sehen, deren Mutter das Kopftuch abgelegt hat und sich gegen die Kontrolle ihres Mannes wehrt. Er spricht kaum Deutsch und hat jeglichen Boden unter den Füßen verloren, geht kaum aus dem Haus und lebt von dem Gehalt seiner Frau, die froh ist, sich draußen einigen Freiraum verschaffen zu  können, auch wenn es hauptsächlich um Einkäufe geht. Jetzt wollen Tochter und Mutter ein paar Tage in den Iran, wo sie eine große Familie haben, die irgendwann alle vor den Taliban in den Iran geflohen sind. Dort müssen die verhüllenden Tücher wieder her, es ist gefährlich, sich  westlich beeinflusst zu zeigen. In der Familie sind fast alle Männer Apotheker. Wir hören von einem Onkel, der kleine Jungs regelmäßig betäubt hat, um sie sexuell zu missbrauchen. Wohl eher das Übliche und selten Geahndete, das finstere Zeichen hochdosierter Moral, die dann heimlich als das unerreichbar Erlebte beantwortet wird. Die afghanische Tochter kann es nicht glauben, dass es in Deutschland solche Sachen gibt wie der laufende Horrorfilm vom Campingplatz und seine schwer zu beantwortenden Fragen. Wie kann man als Vater oder Mutter nicht merken, dass das eigene Kind missbraucht worden ist, das ist etwas, das ich schwer verständlich finde. Aber vielleicht hat man selbst einfach nur Glück gehabt, nicht als potentielles Opfer jemandem ins Auge gefallen zu sein. Ich fand auch die Bestrafung, also Freispruch mit Auflagen, für den gestern verurteilten Mann unter aller Würde, der immerhin beteiligt war an einem Missbrauchsvorgang mit Anfeuern. Na prima, dass er jetzt in geregelten Verhältnissen lebt, das Kind aber vermutlich niemals wieder. Dieses besagte „Kind“ ist auch nach der Urteilsverkündigung schreiend aus dem Saal gelaufen, höre ich. Bekommt 3000 Piepen von dem Voyeur ihrer Pein. Heikle und aufwühlende Tatsachen sind das, auch wenn man Glück hatte und sich erwehren konnte. Ich fand das immer schon abartig im wahrsten Sinne des Wortes, dass für Frauen die Welt schon zu lange wie ein Dschungel ist, wo man nie weiß, wie viele Raubtiere unterwegs sind, die ihre eigenen Vorstellungen vom verfügbaren Wild züchten. Schon meldet sich der Drang, hinzuzufügen, dass man weiß, dass nicht jeder (Mann) so ist, ja, das wissen wir zum Glück auch, eben: Mensch und kein verrohtes oder überzüchtetes Tier, und ‚menschlich‘ sein, ja was ist das. Und wie soll zum Beispiel ein Muslime infrage stellen können, warum Mohammed wohl seine geliebte Ayesha schon mit 6 Jahren bei sich haben wollte. Nein, sagte man mir mal, mit sechs Jahren getroffen, ja, aber erst mit 9 Jahren mit ihm gewohnt. Ach so, ja dann. Und es ist auch nicht unbedingt wahr, dass ein unter der Burka hastig dahineilender Mensch viel einsamer sein muss als eine single Frau in Deutschland, die mit 20 Millionen anderen Singles diese Wahl als „fei“ deklarieren muss, ist es doch, was gewählt werden konnte. Man muss auch nicht gegen das Geborensein  sein (Antinatalismus), um zu reiferem Nachdenken darüber anzuregen. Einen Menschen in die Welt setzen, der immerhin ein paar Jahre nichts anderes oder Besseres zur Verfügung hat als das, was die Eltern zu geben imstande sind. Da quälen sich manchmal die Worte aus einem heraus, weil es der Meinungsbildung auch nicht zu verdanken ist, dass das nicht aufhört, bis genug Schrecken entstanden ist, um neue Gesetze zu formulieren, die bestimmt werden von den Irrgärten des dunklen Netzes. Zum Glück habe ich auch einen überraschten Kommentar zurückgehalten, als die junge Frau aus dem Zug stieg mit einem so kurzen Minirock, dass man ihn als Rock kaum mehr definieren konnte. Ich kann anregen, warum nicht, aber ich bin nicht die Hüterin der Bahn. Für mich ist es eher so, dass es mich interessiert, wie sie mit all dem umgehen, und bin froh über jede gelingende Verbindung, die den schwierigen und den leichteren Themen Raum lässt, sich dem eigenen Denken entsprechend zu bilden.

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