unvollkommen

 

Das waren Zeiten, als die Götter noch haufenweise, wenn auch angeschlagen, hier an den Ufern herumlagen und man, vom eigenen Geschmack her, vollendete Schönheit sehen und manchmal auch mitnehmen konnte, oder einen himmlisch geformten Kopf, oder eine Götterhand. Für den Hindu hat das Angeschlagene seine Göttlichkeit eingebüßt, es floss oft über Junkies zu den Foreigners hin oder in die kleinen, illegalen Läden auf dem Boden des Bazaars. Im gängigen Widerspruch dazu gibt es die Geschichten, dass, wenn einmal ein Mensch etwas so Göttliches schuf, das sich der vollkommenen Empfindung näherte, der Erzeuger (Künstler) dann z.B. den kleinen Finger abschlug, um nicht vermessen zu erscheinen. Und doch gibt es , soweit ich weiß, kein Land, in dem Gottheitensein so locker angeboten wird wie in Indien. Wer es in Anspruch nimmt, muss natürlich ganz schön schuften, denn einen vollkommen für den Job Ungeeigneten würde man dann doch nicht gerne vor sich haben, aber das sind heikle Themen. Wer ist geeignet, und für was, und wer traut sich ein Augenmaß zu. Es kann sehr wohl sein, dass die Lust an der Idee erreichbarer Göttlichkeit im Menschen angelegt ist, und nicht nur Hindus sind offen für diese Art von Darbietungen. Da es nicht nur Jesus, sondern auch Krishna und Shiva als kleine Götterknaben gibt, wird auch in die Mutter die Sehnsucht nach der Gottgeburtgebung (GGG) gepflanzt. Oh alles gewährender (oft auch als unkörperlich beschriebener) Herr Gott, schenk mir den Göttersohn. Es gibt Göttinnen, ja, und vielen Männern sind sie auch lieber als die Frauen zuhause, die sich für ihn abrackern, und viele auch trotz Gebeten den herbeigesehnten Sohn nicht bekommen. Ist er aber da, wird der Mann der Frau als Gott an den Herd gelegt und bestimmt auch durch die Phase der Selfie-Trance viele Haushalte. Und man kann mal wieder kurz hinschauen, wie der düstere Same in das deutsche Volk gesät wurde, und wie er dort hochkeimte und blühte, und wie viele Blonde und Blauäugige es gegeben haben musste, um gemeinsam so einen Alptraum in die Welt zu setzen. Die große Ernüchterung ist auch eine Medizin, kann aber durch das von sich selbst verratene Gefühl in einen Mangel führen, wo das Menschsein sich nicht mehr genügt und an den Eingeweiden nagt. Manche gehen noch in die Tempel und die Kirchen, aber kein Gott antwortet mehr. Die interessante Frage bleibt, ob der Mensche die göttliche Instanz braucht, um über sich hinaus zu wachsen. Wohin? Um den Pfad zu sich selbst zu finden und den Agenten braucht, um einen aus der Ich-Verhaftung auf eine neue Bühne zu hieven? Ich selbst vertraue in den Funken und spreche aus Erfahrung, wenn ich sage, dass der Funke noch in der Asche glühen kann, sodass ein einziges, braunes Haar einer Kokosnussschale ihn wieder entflammen kann. Wenn die Nähe eines Gottes in bestimmten Zeiten behilflich sein kann und einen weiterbringt, warum nicht. Doch ist es auch hilfreich zu wissen, wer so ein Gott für einen ist: ein Abladeplatz, eine Beruhigungspille, ein Erlösungsschein, ein Verantwortungsträger, ein niegehabter Papa, eine liebesschwangere Mama, ein Freizeitvertreib für missachtete Töchter usw.? Oder auch ein erotisches Lächeln, eine abenteuerliche Liebe, eine elegante Herausforderung an das Lebendige im eigenen Schöpfergarten, wo die Erde spielerisch umgeht mit dem liebenden Geist. Man suche die Grenze und finde erfreut, dass es auch sie nicht gibt.

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