schlummern

Gestern ist hier das große Novemberfest im Monat „Kartik“ von der Regierung eröffnet worden. Ich komme nicht umhin, es zu erwähnen, denn ein paar Tage läuft nichts anderes. Viele Jahre war ich um diese Zeit meist nicht da, und wenn ich da war, bin ich in eine andere Stadt für ein paar Tage, weil mir die Entwicklung des Festes mit Schwerpunkt auf Tourismus nicht mehr gefallen hat. Ich gehöre in lockerer Verbundenheit zu der Gruppe, die sich noch an ein gewisses Gefühl erinnern können, das eher im Wortlosen lag, auch ein Wahrnehmen des permanent Ungewissen, das sich aber auf eine bestimmte Weise verlässlich kristallisieren konnte, wenn man etwas Wert auf innere Haltung legte. Ich saß also gestern Abend an meinem Fenster zum See hinaus und weidete meinen Blick an den tausenden von Öllämpchen, die SchülerInnen aus allen verfügbaren Klassen aufgestellt hatten. Sie machten auch farbige Mandalas entlang des Gehwegs, und in den bunten Blüten gab es Sprüche wie „save water“, und „save the female child“, und „save life“, alles wichtige Dinge. Auf einmal flog eine Drohne an mir vorüber, Pilger und Pilgerinnen saßen auf den Stufen herum nach der Auftakts-Puja der Brahmanen. Wenn in Indien ein einziges Ding sich durchsetzen kann und von vielen gekauft wird, dann kann der bescheidene Beginner Millionär werden. Wenn nun so eine Drohne die kollektive Bereitschaft zu gierigem Haben genug anstacheln würde, dann…ja was dann..(alle PilgerInnen mit Drohnen im Handgepäck!).Ich bin dann mal wieder am Shani Mandir vorbei gelaufen, dem Gott Saturn gewidmet, wo Frauen nicht in die Nähe des schwarzen Steines kommen dürfen, weil, so erklärten es Priester, als Frauen letztes Jahr die Sache in Frage stellten, weil Frauen die massive Kraft des Gottes nicht verkraften könnten. Ein Freund, dessen Frau Shani-Verehrerin ist, meinte auf meine Frage, wie er das sieht: warum wollen die Frauen unbedingt da rein. Sollen doch einfach wegbleiben. Immer wieder beschäftigt einen die Tatsache der vielen Möglichkeiten, wie man alles sehen kann, was da ist. Erstaunt war ich heute früh, als Ashok, bei dem ich jeden Morgen ein paar Blumen hole, in vehementer Laune war und mir erklärte, dass das kein richtiges Fest mehr sei, dass überhaupt alles zu Ende ist, und dass auch der Götterhimmel zu Ende ist. Für ihn war das einfach: Keiner kommt mehr wegen dem Kern der ganzen Geschichte, sie gerät ins Vergessen. Die Regierung nennt das Fest „Kamelfest“, weil es den Tourismus fördert und Kohle ins Land schwemmen soll, und im religiösen Kontext geht es um ein Opferfeuer, das Brahma, der Schöpfer höchstpersönlich, mit ungeheurem Aufwand in die Wege leitet, und einst jedem Pilger Unsterblichkeit versprochen hat, wenn er den Ort gefunden hat und das Notwendige tut. Weil aber zu viel Andrang war (für die Unsterblichkeit) nahm Brahma schlicht und einfach das ganze Dorf in die Luft und ließ es dort hängen. Nur 5 Tage im Monat Kartik, eben jetzt, holt er es herunter, damit das Spiel weitergeht. Der Pilger und die Pilgerin jedoch sind mit ihren Smartphones beschäftigt. Es gibt neue Körperstellungen, die am förderlichsten den Instagram Blick erhaschen, dieses hingerissene Sich-selbst-für-sich-selbst-halten“, ohne den Hauch einer Belastung aus der antiken Sphäre. Wenn die kollektiv verbundene Vorstellungskraft auseinander fällt, ergeben sich neue Gebilde aus den Wahrscheinlichkeiten, Auch schlafenden Göttern mangelt nicht unbedingt eine gewisse Erotik.

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