Dharma

Links sieht man Hanuman, den Affengott, was Tiefes studieren, und rechts einen Auschnitt des Bildes von gestern, das birgt gerade eine gewisse Verbindung für mich. Zwischen dem gemalten Bild und dem von Hanumann, das ich gerade bei meiner Morgenrunde unter einem Baum entdeckt habe, habe ich eine überraschende Erfahrung mit mir selbst gemacht. Plötzlich hatte ich das Gefühl, wirklich anwesend zu sein, so, als wäre ich vorher herumgelaufen wie eine Hülse, die mühelos dahingleitet durch die vertrauten Wege, aber getrennt ist von allem mich Umgebenden. Der Hinduismus ist eine einzige, grandiose Zumutung. Ja, es wird als „Dharma“ bezeichnet, was auch mit Religion übersetzt werden kann (auch mit Recht und Sitte, Ethik und Moral), aber es ist eben keine Religion, sondern eine Art zu sein, hier wirklich auch zu verstehen als „Kunst“ zu sein. Was mich wieder verbunden hat damit, war, meinen eigenen Ort darin wieder zu finden, das, was ich daran und darin liebe, das, was mir in all den Jahren zugeflossen ist und durch meine Adern geströmt, und durch was ich geworden bin, was ich bin. Ich selbst bin durchdrungen und geschult von dieser gnadenlosen Anarchie mit den hohen Ordnungen, beides immer spürbar wie Tore im Gewebe des Alls. Hier ist mir gelungen und ermöglicht worden, meine Fremdheit in den kosmischen Zusammenhang zu bringen, ein Geburtsvorgang im besten Sinne des Wortes. Auch da hat niemand eingegriffen in meine Entwicklung, aber ich konnte sie selbst gestalten und habe sie reichlich genutzt, die Chance, noch einmal geboren zu werden, jetzt im Bewusstsein angebotener Möglichkeiten, die nicht in die Leere liefen. Das Erfahrungspotential war mächtig. Vom Leichenverbrennungsplatz bis zu den verborgenen Orten Shivas war alles an eine Realität gebunden, die ihr eigenes Wesen hatte und hat. Nun bin ich nicht mehr bei ihnen in den Götterwelten, das fällt nicht weiter auf und wer sollte sich darüber Gedanken machen? Jeder bei seiner oder ihrer Lieblingsgottheit im großen „As you like“. Und ich kann ja nicht, nur weil ich ohne Götter umhergehe, so tun, als müssten alle erwachen von einem Alptraum, nein, ich muss nur bei mir bleiben und mich erfreuen an der farbenprächtigen Maya, so wie Ramakrishna, der Weise aus Kalkutta, mal gesagt hat, als Vivekananda ihn mitnahm zu einer ‚Function‘: „Ja, was haben die denn!? Die Maya ist doch ganz hübsch.“ Und so ist es, sie ist unterhaltsam, und man kann auch ganz gut durch das Gewebe schauen, wenn es einen interessiert, was sich dahinter abspielt, oder auch nicht. Aber ganz in der Irgendwo-Tiefe, und noch ein Stück tiefer, wo es wieder ins Oben geht, da ist doch noch derselbe Ton, dem ich lausche: mein Symphonie-Orchester, meine Stille, mein Wesen.

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