einlösen

E i n e Sicht auf die Welt, und nicht nur als Sicht oder Gedanken, ist, dass sehr viel Leid in ihr ertragen und getragen wird. Nirgendwo scheint es mal nicht gewesen zu sein, das Leiden, überall kommt und geht es. Und so, wie aus den Ghettos auch schöne Geschichten kamen und kommen, und auch aus den Booten der Flüchtenden manches Gute zu Ohren kommen wird, so kann man sich tiefes Leid auch in beschützten Gebieten vorstellen, wo Menschen auf andere Weise um ihr Leben und gegen den Wahnsinn des Seins kämpfen. Das ist ja nicht leicht, so ein Leben zu verstehen. Überall greift einen das Wissensbegierige an, überall gibt es Hindernisse, Widerstände, Grenzübergänge. Auch ist das Wissen immer beschränkt auf die Zeit, und es hat sich auch nicht gezeigt, dass es vor allem anwendbar ist, um Menschen zumindest das vermeidbare Leid einschränken zu helfen. Wissen mag Macht sein, aber Dummheit ist auch Macht, es kommt auf die Handhabung an. Ein Ei ist eben nicht wie das andere. Der langsame Anstieg der Identität, die wir uns von innen her architektonisch erschlossen haben (oder nicht), führt zu der logischen Folgerung eines Anspruchs, dem wir gerecht zu werden uns bemühen, und für den es keine Garantie gibt, ob das von uns Erwartete einlösbar ist. Sieht man das Leben als einen ehrgeizigen Vorgang, der zu einem möglichst erfüllenden Außen führen soll, kann es einem eine ganze Weile besser gehen als denen, die das Außen nicht als das gegebene Ziel betrachten, obwohl es dazu gehört, es eventuell zu meistern. Ich finde, der Anspruch, sich selbst zu sein wird zu wenig befeuert. Man gewinnt vor allem auch über die Politik oft den Eindruck, dass man Menschen das Sichselbstsein nicht zutrauen kann, weil die in eine Anarchie  Losgelassenen dann nur Unfug treiben würden und mit Sicherheit werden. Wenn  jedem unermüdlich vorgeschlagen wird, wer er oder sie ist , und wo und warum, da bleibt nicht viel Raum zum Selberdenken. Es sind die Erfahrungen, die fehlen, die unter Umständen zu anderen Entscheidungen führen würden. Hier bin ich leider im Würden gelandet und muss wieder einen Weg herausfinden. Ich nehme das Wort „würden“ ohne das „n“, und schwupps!, bin ich im Unantastbaren. Ob nun ein Mensch den Anspruch, den er hatte oder hat, einlösen kann oder nicht, so ist doch seine Würde unantastbar. Das führt zum selben Punkt hin. Die Angst vor der Anarchie ist ja irrelevant, denn wenn Menschen einen ungestörten Raum zur Verfügung haben, besinnen sie sich automatisch auf sich selbst. Die Erfahrung des Ungestörten ist ein hohes Gut. Wenn ich selbst erschaffen kann, wofür ich geeignet bin. Wenn der Anspruch sich auf natürliche Weise einlösen und man bei sich und mit sich sein kann.

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