Sherlock

Da ich mich schon als Bazillusopfer geoutet habe, will ich nun nicht versäumen, die Widerstandskräfte zu loben, die einem ermöglichen, doch ziemlich schnell wieder zu generieren. Es gibt bestimmte Ebenen, auf denen ich von Wundern als einem natürlichen Phänomen ausgehe. Ich bemerke allerdings, dass das nur geschehen kann, wenn man sich so konzentriert wie möglich auf das Geschehen einstellt. Es muss Raum und Achtsamkeit geben, damit das Unwohlgefühl sich ausbreiten kann. Die homöopathischen Genesungsprodukte, die herumstehen, werden regelmäßig zugeführt, damit Signale an das Selbstorganisationssystem gegeben werden können. Unterhaltsam war auch, mit den Handwerkern, die neue Heizungen einsetzten, und mit AnruferInnen am Telefon zu flüstern. Menschen sind milde, wenn sie an Anderen etwas entdecken, was sie selbst kennen, und wer ist nicht froh, dass es grad den Anderen erwischt hat. Wenn man das Bild oben mit etwas verengtem Blick anschaut, kann man ein kindähnliches Wesen sehen, das in einen großen Mantel gehüllt ist. Ich bin in einem Klima aufgewachsen, in dem Krankheit (nur für mich) ein Tabu war. Es bedeutete Katastrophe. Es bedeutete auch in meiner persönlichen Wahrnehmung, dass Andere sterben können, wenn ich krank bin. Viele Jahre stand ich immer unter dem Eindruck, dass ich nie krank war. Dabei war gerade meine Überlebenskunst ziemlich auffallend. Man denkt ja gerne, dass alle immer leben wollen, dabei dauert es, bis man selbst ganz sicher sein kann, warum man (z.B.) nachts bei Regen weit weg von der Ampel in ein Auto lief. Mit Genähtwerdenmüssen fing es auch schon ziemlich früh an. Jede Gehirnerschütterung ein Risiko und eine Gefahr. Nach einigen weiteren ernsten Vorkommnissen habe ich nun einige Erfahrung gewonnen mit dem eigenen Kranksein und dem der Anderen. Auch hier gilt eindeutig: immer schauen, was für einen selbst angebracht ist. Nicht nur Menschen, sondern auch Dinge müssen einen ansprechen, sodass man darauf antworten kann. Einmal musste ich mich als potentielle Krankheitsbegleiterin abseilen, weil mir der vorgeschlagene Weg unbegehbar erschien. Aber er funktionierte  dennoch. Es kommt u.a. darauf an, wie man alles bedenkt und mit wem den Vorgang bespricht. Deswegen schätze ich Ärzte, wenn es nun sein muss, dass man zu ihnen geht, die genaue Diagnosen ablehnen, da jede Krankheitsbefindlichkeit doch eher komplex ist. Es schadet ja nichts, mal darüber nachzudenken, wann genau einen, in dem Fall mich, die Sprachlosigkeit befallen hat. Dass es z.B. diesen Moment gegeben haben musste, wo man sich angreifbar gemacht  oder angegriffen gefühlt hat. Nun sind wir auf der Ebene, auf der Sherlock Holmes aktiv ist. Er lässt nicht locker, bis er, trotz fast geheiltem Bronchitis-Räuspern, genau den Nu erwischt, der es einem Bazillus-Angreifer ermöglicht, in die leicht erschütterte Materie einzudringen. Der Bezug erschließt sich ihm trotz aller scheinbaren Widersinnigkeit, denn genau da entgehen einem oft die Zusammenhänge, da sie der gewünschten menschlichen Logik nicht folgen. Sherlock Holmes lächelt. Er hat seine Stimme wieder.

One thought on “Sherlock

  1. Tamara Ralis Antworten

    eher gar nichts fixieren

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