umgehen

Interessant, dass das Wort „Umgang“ sich noch beschäftigt mit dem Anwesenden, „umgehen“ aber schon eine Distanz ausdrückt. Wir alle sind gefordert,  uns einen entsprechenden Umgang mit Dingen und Menschen und Tieren usw. anzueignen, und wir können auch auf Distanz gehen, wenn das Vorgefundene unserer Befindlichkeit nicht entspricht. Spätestens hier würde es in einem gemeinsamen Gespräch zu sehr unterschiedlichen Äußerungen kommen. Das sogenannte Wissen über das Menschsein ist jederzeit zugänglich, sodass auch die Vorstellung verbreitet ist, man wüsste automatisch, was man hört oder liest oder sagt. Auch wenn mein Blick zuweilen über meine kleine, exzellente Ansammlung von Büchern mit gut durchdachtem Gedankenwerk schweift, würde es mir schwerfallen, zu sagen, was davon in meinem eigenen Gehirn so eine Tiefenwirkung ausgelöst hat, dass sich etwas davon, wenn auch in homöopathischer Dosis, in meinem Leben umgesetzt hat. Außerdem wird man meist von dem angesprochen, was einem zusagt und einem entspricht, wobei es dann zu weiteren Feldern kommt, wo man lernen muss, mit dem umzugehen, was einem gedanklich und wesentlich gar nicht entspricht. Mir wird immer wieder mal vermittelt, es gäbe so wenige Menschen, die sich tief und ernsthaft um die eigene Seinsweise kümmern, mit der sie sich als Mensch unter Menschen komfortabel fühlen. Dann wiederum dauert es so lange, bis der Komfort im eigenen inneren Wohnbereich als komfortabler Raum empfunden werden kann, ein sehr anregender Zeitvertreib, sich die Architektur des persönlichen Wesens einmal auszumalen. Ist es hell oder eher halbdunkel belichtet, sind die Räume offen oder verschlossen, gibt es Stockwerke und Ebenen, auf denen man herumwandern kann und vielleicht finden, was der Vorstellungskraft verwehrt war? Immer wieder gab und gibt es Meister dieser Innendehnungen, die den Beobachtern des Seins eine Möglichkeit schenken, den Blick zu weiten in das uns selbst Unvorstellbare, wie zum Beipiel Escher oder Borges. Lehnt man sich allerdings zu weit hinaus auf Galerien, die man nicht sorgfältig gebaut hat, kann es zu Unfällen und Abstürzen kommen. Wir alle konstruieren unsere Welt, bewusst oder unbewusst, und sind entweder im fließenden Strom beheimatet oder vom Zugzwang der Geschehnisse geprägt. Meist kennen wir beides. Oder man trabt mal eine Zeitlänge auf einem verlockenden Pfad entlang, den man für den Pfad der Pfade hält. Und wann und wodurch gurgelt das erlösende Lachen hervor? Alle Menschen, denen wir begegnen, sind ein gigantisches Programm an inneren Vorgängen, die oft erst durch gesuchte Hilfe oder Hinweise entheddert werden können, beziehungsweise bewusst gemacht. Alles, was innerhalb des persönlichen architektonischen Stils beobachtet und bewusst gemacht wurde, greift nicht mehr aus nach uns mit den Krakenarmen. Wer soll unsere Systeme entstören? Auch von Freud wird berichtet, dass er von gesunden Menschen ausging. Hat er sie gefunden, oder ist es eher so, dass wir ausziehen in die Forschungsgebiete des menschlichen Universums, weil wir nach der Entstörungstechnik suchen, die dieses Phantom der Gesundung als Wegweiser hat. Immer ist alles da, auch der gesunde Menschenverstand, auch die Fähigkeit, sich selbst zu erkennen und zu verstehen. Ich selbst fand die Kulturen immer bemerkenswert, die das menschliche Verhalten und den Umgang mit dem Vorgefundenen als einen Blick auf den Tod empfohlen haben, auch wenn ich selber auf die Idee des Weiterlebens keinerlei ausschließenden Wert mehr lege. Die Einstellung, einen guten Tod erleben zu können, muss auch nicht zu einer Todeskarotte mutieren, aber ich eigne mir hier das heutige Bild an, das mir mal als Vision weitergegeben wurde, und mache mein eigenes draus: man sieht also eine Terasse, die mit ihren schlichten Säulen den Rand des Horizonts streift. Darauf erscheint irgendwo eine dem/der Dahingehenden entsprechende Ausblicks -und Lagermöglichkeit, und die dazugehörige Stimme sagt herzlich: schön war’s, und jetzt ist es Zeit zu gehen. Ich wünsche allen Anwesenden weiterhin gutes Gelingen. Für diesen schlichten Moment ackert man sich letztendlich durch die Daseinsfelder.

Bild: die kleine Figur in dem Rot ist eine Arbeit und ein Geschenk von Alfred Bast.


Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.