überall

Bildergebnis für erkenne dich selbst delphi(gnothi seauton – erkenne dich selbst)
Gestern in einem Gespräch tauchte der Satz auf „Delphi ist überall“, der hat mir gefallen. Wie ich es gehört habe ist zum Beispiel, dass dieser berühmte Spruch schon so lange da ist und man kann sagen, er ist für jeden zugänglich gewesen und er ist es noch. Schon damals wurde darüber gestritten, wo er herkam und wer ihn zuerst gedacht hat, und dann natürlich die unzähligen Auffassungen, die damit einher kamen, nämlich wie er gemeint war und ist. Das ist vermutlich das Einfache an dem Satz, dass, wenn man ihn einfach zulässt, man mehr von ihm versteht, als wenn man über ihn nachdenkt. Auch über das Nachdenken kommt man natürlich bis hin zur Quelle. Ob man an der Quelle allerdings zum erfrischenden Bad kommt, das muss jeder, der da hingeht, selbst entscheiden. Oder die Quelle entscheidet es, sozusagen wie eine Weltenmutter, die dem wandernden Kind die Arme öffnet und es wieder aufnimmt in den natürlichen Kreislauf. Soweit ich mich erinnere, wurde der Spruch auch einem Eunuchen zugeschrieben, darin könnte man einen poetischen Sinn sehen. Auch ist es eine Tatsache, dass das Bewusstsein der Menschen sich gewandelt hat, und die Seligkeit geschichtlicher Vorstellungen, wie schön einst irgendwo was früher war, würde ziemlich sicher im Kontakt damit zu neurotischen Störungen führen. Und doch gibt es Gedanken, die sind so frisch und frei und anregend, wie sie von Anfang an waren. Eben: Erkenne dich selbst. Was heißt das? Hat die offensichtlich sich ständig verdichtende Komplexität unserer Zeit auch zur Folge, dass der Zugang zu diesem schlichten Satz immer schwieriger wird. Inmitten des globalen Wirrwars hat sich auch der spirituell und religiös geprägte Schauplatz der Selbsterkennungsangebote ins Unübersichtliche geweitet, und man ist gezwungen, zu einer halbwegs gesunden und einleuchtenden Wurzel zurückzukehren, zum Beispiel, noch vor dem geschätzten Dialog, zum Gespräch mit sich selbst. Das ist unterhaltsam, sich zu fragen, wer man ist, und was es hier zu erkennen gibt. Mal fühlt es sich an, als wäre man ein Banian-Baum, dessen zeitlose Wurzeln im Wüstensand wandern, dann wiederum fühlt es sich an wie ein kahler Ast, auf dem man sitzt und Zeit hat, die Sprache der Vögel zu lernen. Es scheint ja pausenlos viel, was man sein könnte, aber wirklich können kann man nur das, was man ist.   Daher kehrt man immer wieder zurück zu der Frage und erlaubt sich allerlei Narreteien und auch Weisheiten, warum nicht.
Bildergebnis für erkenne dich selbst delphi In dem Bild sieht man Themis als Pythia, dem Aigeus prophezeiend. Das kann man ja auch modernisieren, indem man sich als Pythia zB sich selbst gegenüber setzt und was über sich aussagen lässt. Man kann hin -und hergehen und den Stuhl wechseln. Oder man richtet den Raum im Innern ein, fragt sich mutig und wohlwollend, was man so alles von sich wissen will, und beantwortet dann ebenso entschlossen die eigenen Fragen. Dann kommt man der Sache schon näher. Wenn es sich zeigt, dass die Mühseligkeit dieses Vorgangs einen überfordert, kann man locker zu ernsthaftem Dialog übergehen, oder Hilfe annehmen in der Durcharbeitung der Raumbehinderungen. Was steht einer klaren Erkenntnis im Weg? Und muss es überhaupt sowas sein? Natürlich kann es auch eine rätselhafte Mitteilung sein, solange man weiß, dass sie aus der eigenen Bastelstube kommt. Die Welt wimmelt von rätselhaften Teilnehmern, die auch die Frage erstaunlich fänden, was sie ja ist. Mich erkennen? Ich bin doch da, könnte jemand etwa sagen, und man könnte auf weitere Angebote hinweisen, wenn sich das ergibt. Warum hat der erste  (unbekannte) Frager sich diese Frage gestellt? Man kann auch locker sagen, dass jeder Mensch, den diese Frage beschäftigt, eine andere, weil eigene, Antwort darauf hat. Das macht eine gute Frage aus! Sie packt einen und wirbelt einen durch die Ebenen und lockert den Acker der Illusionen oder der festgebackenen Einstellungen. Man kann sich auch erfreuen an der Unruhe, die einen packt, wenn das sich selbst begrenzende Ich entmutigt wird von der Wucht eindeutiger Wahrnehmung. Ich weiß gar nicht., ob der Satz heute noch am Tempel von Delphi zu lesen ist, oder ob einfach eine historische Gedankenübertragung stattgefunden hat, deren Urton immer noch im Geist resoniert. Irgendwann geschah es auch, dass jemand den Satz wohl zwanghaft ergänzen musste mit….“dann erkennst du Gott!“ Das lehne ich ab. Das verpfuscht die Klarheit des Satzes. Das macht was draus, was es nicht ist und nicht sein kann. Es schlägt etwas vor, was die Menschheit davon abgehalten hat, sich zu verstehen. Das ganze Abenteuer des Daseins ist in drei Worten ergiebig enthalten.

 

 Das Bild zeigt eine ältere Arbeit anlässlich einer Ausstellung.

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