fühlen

Jahrelang habe ich es als wesentlich empfunden, zwischen „Gefühlen“ und „Emotionen“ zu unterscheiden, denn im Emotionalen, bzw. dem Wort, steckt die schnelle Bewegung, die kurz mal da ist und einen auch ergreifen kann, aber dann verzieht sie sich wieder und lässt einen los. Man denkt ja gerne, dass es ganz viele Gefühle gibt, aber ich weiß immer noch nicht wie viele, und ob es überhaupt viele gibt. Vom griechischen Theater konnte man einiges darüber lernen, denn man wusste oft von den Grimassen auf den Masken, was gemeint ist. Auch im Kasperletheater war noch einiges überschaubar. Das Dumm- und das Bösesein strahlen ja auch bei Kindern, die zuschauen, eine gewisse Faszination aus.  Doch die meisten sind dann doch eindeutig für Kasperle, denn der ist clever und hat viele gute Tricks auf Lager, die einem helfen können, aus dem entstandenen Schlamassel wieder heraus zu finden. Kasperle hat auch keine Hemmschwellen, jemandem mal tüchtig eins über die Rübe zu geben, nicht, dass ich mich zu tief daran erinnere. Es ist wohl die grundsätzliche Harmlosigkeit, von der man da ausgehen kann, eben dem Gefühl, dass  zwar einiger Unfug getrieben, aber nicht vorsätzlich geschadet werden wird. Das ist beruhigend. Diese Beruhigung genießt man nicht mehr in der Welt der Erwachsenen. Man muss ja davon ausgehen, dass die geballten Zustände, in denen wir uns zur Zeit alle bewegen („alle“ hier als Fast-Tatsache, seit die Vernetzung Allgemeingut ist), als beunruhigte Zustände von Eltern an die Neugeborenen weiter gegeben werden. Nichts ist mehr wirklich gesichert für die Neuankömmlinge, vor allem aber immer weniger von der „Seelenruhe“, mit der Kinder (und ihre Eltern) das Ankommen auf der Erde zelebrieren können. Ich persönlich gehe ja aus jeder gegebenen Situation von Möglichkeiten aus, die  im Laufe jeden Lebens dem/der Lebensgestalter/in zur Verfügung stehen, aber es leuchtet ein, dass, wenn liebevolle Verbindung am Anfang nicht gelungen ist, fast immer im Laufe des Daseins darum gerungen werden muss. So wird die ersehnte Liebe oft mit Hass gepaart, ohne dass wir zulassen können, dass uns selbst so Schlimmes passieren kann. Meine Güte, geht’s immer und überall viel ums Fühlen, und paradoxerweise gerät bei der Frage „ja, was fühlst du denn gerade?“ meist was ins Stocken, denn wenn man sich ausrichtet, um wirklich wissen zu wollen, was man fühlt, da stößt man oft an die Grenze des Nichts und weiß dann immerhin, dass auch das Nichts Grenzen hat. Die Poeten und Poetinnen hält man ja gerne für die, die da, wo die Gefühle vermutet werden, hinuntertauchen in die unwirtlichen Tiefen, um dort an verlorene Schatzkästen heranzukommen und sie sterbensmüde an die Küsten des Menschseins werfen. Oder, sich selbst als Lampe durchs Geröll ackern, um herauszufinden für weitere Nachwelten, ob da irgendwo doch das makellose Wasser von der Höhle tropft, für dessen Trunk der ganze Stress sich gelohnt hat. Und natürlich nicht nur Stress wird gefordert, sondern auch Auskunft über das Ausgelassene, und wie gesellschaftliche Tabuzonen geistig durchbrochen werden können. Oder wie man sich selbst lange genug in gefährlicher Einsamkeit aufhalten kann, nur sich selbst als Gegenüber, und man beginnt dann Begriffe zu lieben wie „azurne Einsamkeit“, weil man entzückt wird, dass ein Anderer einen Namen für das Unnennbare gefunden hat. Wohl gemerkt: immer nur in die Nähe der Dinge, aber diese Kunst, so nah wie möglich zu dem, was unsagbar ist, kommen zu können und in vollem Bewusstsein der gänzlichen Ohnmacht doch noch Worte zu finden und zuzulassen…das ist dann die Kunst, wenn es denn gelingt. Und wieder die brennende Frage: wer will es beurteilen. Auch das Genießen von Gefühltem wird oft vergessen, so als wäre man nur immer den Strömen ausgeliefert, die durch einen hindurchfließen, wer weiß schon, woher und wohin. Aber wenn so ein Gefühl bei einem ist und man lässt es eine Weile bei sich sein und genießt, was einem angeboten wird, dann lernt man ein bisschen was davon. Allein der Aufenthalt im Inneren, denn da kommen sie ja her und lassen einen wie mit leerem Blick in das Wesen der Befindlichkeiten starren. Klar, das Wetter darf mitspielen, aber nicht wirklich, denn es eignet sich zu gut als Verlagerungsebene. Bin ich leichtfüßig unterwegs, was schert mich das Nieseln? Im Gegenteil! Auch das Nieseln kann seine angenehme Wirkung entfalten. Ich selbst muss ganz klar aussagen, dass ich nur einer einzigen Befindlichkeit traue, oder vielleicht besser gesagt: ich traue dem Wesen der Verbindung. Wenn das klar ist, dass ich mit mir selbst verbunden bin, dann weiß ich auch etwas von der Verbindung mit Anderen. Verbindung ist der/die Auslöser/in von Liebe, wie könnte es anders sein. So gibt es m.E. eine grenzenlose Zahl an Gefühlvollem, aber nur eine authentische Verbindung, die gewährleistet, dass man Liebe von Liebe unterscheiden lernt. Meist ist es ein Mensch, der in einem selbst einen Funken entfacht, der tatsächlich die Funktion einer Lampe hat. Auf dem nun besser belichteten Weg empfindet man oft eine tiefe Dankbarkeit, die einem Mut macht für die eingeschlagene Richtung. Es hat so etwas grundsätzlich Gesundes, was da geschehen kann und ist gleichzeitig komplex und sehr einfach wie gutes Brot, gute Butter und gutes Salz zusammen. Und ein guter Schluck Rotwein dazu in einem schönen Glas. …“Liebe ist Wein im Feuer aus dem Opferkrug…“ fiel mir da noch die Zeile von Benn ein, damit das Komplexe auch nicht zu kurz kommt.

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