Die Tiere, ja, die Tiere! Ihre Schönheit! Ihre Einfachheit – ihre Unschuld, die auch im Jagen und Morden sichtbar ist. Ihr Fell mit den berückenden Landschaften. Ihre Federn! Ihre Wachsamkeit uns Menschen gegenüber. Sind wir wohlgesinnt – oder sind wir tückisch – sie können nie sicher sein. Hinter uns und vor uns und über uns und neben uns huschen und traben sie vorüber, und manchmal kommen sie uns nah und bleiben bei uns, und unsere durch sie hervorgelockte Liebe strahlt auf sie zurück, und für kostbare Momente sind wir in diesem arglosen Sein gebannt, und im Inneren dehnt sich eine zärtliche Weite aus. Einmal saß auf einmal ein Ziegenbock neben meinem Sitz. Es war verwirrend, und Augen schauten verwundert auf dieses morgendliche Miteinander. Als ich anfing, mein Gemüse mitzubringen, war der Pakt besiegelt. In dieser Zeit kam Brij Mohan, ein Priester, immer morgens vorbei mit seiner Milchkanne, um bei seinem Freund chai zu kochen, und wir redeten eine Weile miteinander. Eines Morgens gestikulierte er in meine Richtung, da stand der Ziegenbock auf und griff ihn an. Was für eine Macht diese Tiere haben, Zugehörigkeit zu vermitteln! Dann geht man weg und lässt sie und sich selbst wieder frei. Zur Zeit kommt ein Hund, den die Leute ringsum „ghoda“ nennen, „Pferd“, weil er so kraftvoll gebaut ist. Er kommt und jault furchterregend, bis ich mich setze. Dann legt er seine Pfote über meinen Fuß. Dann die Tauben! Ich denke oft an Venedig, wenn ich sie beobachte, weil ich sie als Kind dort schon gefüttert habe. Die Pilger lieben es, Tauben zu füttern. An jeder Ecke gibt es Taubenfutter. Man setzt sich hin und öffnet die Handflächen mit den Körnern und genießt dann das Kribbeln ihrer Schnäbel auf der Haut. Neben mir sitzt gerade ein Affe und sonnt sich. Oft schlafen sie eine Weile ein, erschöpft von der Genialität ihres Freerunnertums. Wer würde dem eigenen Neid nicht einen Jauchzer gönnen, wenn das Auge sieht, wie sie mühelos Abgrund und Wand überwinden und so vieles können im Sprung, was für uns niemals möglich ist. Die Kühe dagegen sind still und prächtig. Klar weiß ich aus eigener Erfahrung, warum sie zum wahrhaft Göttlichen gezählt werden, war ich doch oft genug nahe dran, in die Kniee zu gehen vor ihrer gnadenreichen Schönheit, ihrer Ausstrahlung vollkommener Ruhe, sodass man die Ansteckung spürt. Hier tragen sie keine Knöpfe im Ohr mit Zetteln dran wie auf deutschen Wiesen. Sie werden nicht gegessen in dieser Gegend, nur gefüttert wie die Fische und die Vögel und die Schildlkröten und überhaupt alle Tiere hauptsächlcih gefüttert werden. Manchmal liegt ein totes Tier vor einem auf dem Weg. Wir haben auch 28 Gänse auf dem See. Eine lag neulich tot da, ein großer, schneeweißer Tod. Zwei Mal habe ich auch schon zuschauen müssen, wie ein Affenkind stirbt (s.o.). Man sieht sofort, dass es nicht leben kann. Die ganze Bande ist daran beteiligt. Sie werfen es in die Höhe und schauen, ob es noch klammern kann, und riechen an ihm. Wenn es tot ist, schleppt eins der Tiere es mit sich, wir wissen nicht, wohin. Unten am Wasserbecken sitzen manchmal bis zu zehn weiße, langbeinige Vögel. Sie jagen sich gegenseitig und überraschen mit ihren Verhaltensweisen. Manche Tiere, die ich noch erleben durfte, gibt es nicht mehr. Ein einziges Mal sind auf der Durchreise 80 weiße Pelikane auf dem Wasser gelandet und drei Tage lang geblieben. Ich habe alle Menschen, die ich kenne, aktiviert, um daran teilzunehmen, aber sie hatteen keine Zeit, so ist das Unvergessliche in mich hineingesunken. Ab und zu hört man noch einen Pfauenschrei, oder entdeckt sie auf einmal irgendwo in einem Garten bei der Darbietung ihres Tanzes. Wie froh wir sind, eine ihrer Federn zu finden! Die Fledermäuse mit den Menschengesichtern sind schon lange nicht mehr da. Auch eine schwarze Kobra habe ich im Tempel mal an mir vorbeigleiten sehen. Dort saß auch tagelang ein Stachelschwein direkt über mir auf dem Banianbaum. Ich war gespannt, wann es sich endlich bewegen würde. Dann haben mich erschrocken rufende Farmer darauf hingewiesen, wie gefährlich sie sein können mit ihren beeindruckenden Stacheln, mit denen wir unsere Haare zusammenhalten können. Und klar! Die Eichhörnchen, die flink und ruckartig durch die Gegend flitzen, und die Eidechsen, die, lauernd auf etwas Mücken-oder Spinnenartiges, in unseren Zimmern wohnen. Einmal, ich erinnere mich genau, fielen zwei gleichzeitig beim Jagen auf meinen Rücken und rasten dort herum, bis ich sie durch mein Lachen verscheuchte.
Man muss sich das mal tief im Herzen vorstellen, dass der Planet immer auch ein paradiesischer Garten ist, in dem unergründlicher Reichtum der Arten herrscht. Und wollten wir es doch wirklich verstehen und erfassen, dass wir Hüter sind und keine Herrscher.
Ursula Februar 9, 2017
Toller Satz …. das wir Hüter sind und keine Herrscher …. love Ursul