Shamshan

Immer mal wieder kommt der Tag, wo es mich auf einmal drängt, zum Sham-Shan zu gehen. Ja, es ist der Ort, wo die Toten hingebracht und die Körper verbrannt werden. Aber es ist auch der Ort, wo ich einmal im Einst eine tiefgreifende Entscheidung getroffen habe. Bis dahin gab es keinen Zweifel in mir, dass ich in mein (gemietetes) Haus in Kathmandu zurückkehren würde, das angefüllt war mit Schätzen aus 9 Jahren Leben dort, aber es kam dann anders. Auf der Suche nach nichts war ich direkt in einem Juwel gelandet, einem Ort reinster Poesie, dem Konzept des göttlichen Schauspiels auf allen Ebenen gerecht werdend. Ich schrieb einen kleinen Zettel an die Freundin, die das Haus in Nepal gerne samt und sonders übernahm. Nach meinem öffentlichen Auftritt als Kali hier gab ich meine wertvollen Silberschmuckstücke zum Entsetzen der Brahmanen an Zigeunerinnen weiter und zog zum Sham-Shan. Mal sehen, wie das so ist bei euch und euren Göttern. Mehr von der Pike auf dafür gab es nicht. Wunderbarer, magischer Ort! Wunderbare, kostbare Zeit! Ein Banyan und ein Peepalbaum ganz nahe beieinander. Wir nannten sie die Freunde, die uns Schatten und Schutz gaben. Auf dem Bild oben sieht man die kleinen Häuschen, wo die Angehörigen sitzen und warten können, bis alles nur noch Asche ist. In eins der Häuschen zog ich dann ein, was heißt „einziehen“, da war ich dann, Beziehung zu Shiva aufbauend, das würde nun woanders hinführen…..
Gestern ging ich also dort hin, und sofort umfing mich die Stille. Es war wie ein Tor in eine andere Zeit. Es war weder die Vergangenheit noch die Zukunft, es war keine Zeit an sich. Überall schneeweiße Aschehaufen von Körpern, die kommen und gehen, in der Asche sieht man da keinen Unterschied mehr. Ich besuchte Josi Baba, der den Sham-Shan seit vier Jahren nicht mehr verlassen hat. Ich kenne ihn seit vielen Jahren. Er hat Lepra, nur noch halbe Finger und Zehen. In seiner Jugend hat er Philosophie studiert und gilt auch hier als wissensvoll, ja, weise. Ist er auch. Gelassen sitzt er da, schwer krank. Manchmal bringt ihm jemand was zu essen. Er ist hellwach und in seinen Augen ist es lebendig. Ich sitze einfach, sagt er, und höre den Vögeln zu….
Ich wandere noch etwas herum zwischen den Aschebergen und den riesigen Stapeln aus Holz, das außer dem Ghee (Butter), mit dem das Feuer genährt wird, das wichtigste Material am Sham-Shan ist.

 


One thought on “Shamshan

  1. h Antworten

    … du hast wirklich eine ungewöhnliche Lebensgeschichte … mich hat der Text sehr berührt …

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