flügeln

Ein herumschlendernder Brahmane meinte neulich mal in meine Richtung, alles hätte sich verändert, nur ich (er meinte offensichtlich meine äußere Wirkung auf ihn) sei unverändert, was unter yogisch interessierten Menschen als eine Beleidigung aufgefasst werden könnte, wäre es nicht so harmlos gemeint und mich dennoch anregte, kurz ins Vergangene zu blicken. Schwer beladen mit allerlei teurem Silberschmuck, ganz in Schwarz und Violett gekleidet kam ich hier an, am Hals eine wohlgeformte Kette aus silbernen Totenköpfen, an den Ohren kleine, hüpfende Skelette vom Pariser Flohmarkt, in der Hand einen dünnen Stab , gekrönt mit einem kleinen Schädel aus Rhinozerushorn, ein Geschenk von einem damaligen Vertrauten aus der Weltfamilie. Hier am Pilgerort ankommend hatte ich neun Jahre Nepal hinter mir, ich hatte dort gelebt und gewirkt mit I.Cohen, mit dem ich bereits New York und vieles andere hinter mir gelassen hatte, wir publishten Bücher auf feinstem Papier, ein paar Kopien liegen noch in Archiven herum. Irgendwann trennten sich unsere Wege, ich wollte nach Indien, er zurück nach New York, das viele Material umsetzen in Werke. Ich wollte nur kurz nach Goa, um andere zu treffen und dann zurück nach Kathmandu ins Haus mit den Schätzen. aber dann blieb ich auf dem Weg hier am Pilgerort hängen, wie in Bann gehalten von dem, was ich spürte und sah. Das war ganz und gar etwas, auf das ich nicht vorbereitet war: alles resonnierte mit mir, es war genau d a s Ei in der Wüste, das von mir ausgebrütet werden sollte, es gab keine Fragen, ich blieb einfach da. Sie gaben mir den Namen Kalima, den ich auch für sie als Vorspann getanzt hatte, auf dem Samadhistein des alten Palastes, den die Maharani von Jaipur einem Hotelunternehmen vermacht hatte, als der Adel bereits im Staub der Geschichte lag. Ich zog dann nach einem kurzen Aufenthalt auf dem Verbrennungsplatz (für Brahmanenkörper), dann holte mich ein Brahmane in seinen Garten am See, wo er einen angesehenen Sadhu-Mönch durchfütterte und mir vorschlug, von dem das Handwerk zu lernen, also nach früher Körperpflege sich um den Feuerplatz kümmern, die Asche säubern, den Platz öfters mit Kuhdung einreiben und vieles Nützliche mehr. Der „Maharaj“, wie er genannt wurde, hatte eine ungewöhnliche Beziehung zu Gott, sprach oft laut mit ihm und nannte ihn einen Schlingel. Seine Mutter hatte ihn früh an die Mönchsgemeinde abgegeben, nachdem er von Dorfbewohnern schlafend auf einer schwarzen Kobra gefunden worden war. Aber vielleicht wollte sie ihn auch loswerden, denn er war dünn und klein, und sie hatte ihm als Kind Schleifen ins Haar gebunden, weil er nicht wirkte wie ein Junge. Solche Sachen hat er mir erzählt, wenn ich nach getaner Arbeit neben ihm saß und den Inhalt seiner Chilums in die Handfläche rieb. Somit wurde auch den Einheimischen klar, dass ich einen offiziellen Weg eingeschlagen hatte, und den hatte ich, ich war überwältigt von Staunen. Wie konnte es sein, dass ich mich hier wiederfand, so als hätten geheimnisvolle Kräfte für mich aus dem Ungeahnten eine Oase gestampft, deren Architektur aufs Feinste übereinstimmte mit dem, was ich von antikem Griechenland und schweigendem Ägypten spürte. Hier liefen die Dinge anders, als man sie dachte, hier war  das Lebendige, das sich selbst erfuhr, großzügig am Strömen. Und klar, ich war dabei, ich war eine Frau aus der Fremde, geschminkt und auf möglichst unauffällige Weise mit einem glitzernden Schwert ausgestattet, nicht verpflichtet, sich herrschenden Konventionen anzupassen, aber doch sie auch zu respektieren, kein Zweifel, ich war auch Tochter und Schülerin des Unnennbaren. Wow, ich bin richtig in Fahrt und sehe, dass 500 Zeichen bereits überschritten sind, aber vielleicht sollte ich mir doch meine eigene Geschichte noch einmal vor Augen führen, damit ich den Film aus dieser Entfernung her nochmal nachvollziehen kann.

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