Vergangenheit, o du Vergangenheit….


…enstanden aus langsam
sich mehrenden Tagen
Ich lernte also eine ganze zeitlose Weile mit Maharaj, dem immer Neues einfallen musste dazu, denn er hatte noch nie jemanden  dagehabt, dem er was beibringen sollte, dazu noch eine(r)  Frau, die hinten am Banianbaum schlief, er an der Feuerstelle. Über uns in den dichten Zweigen hingen tagsüber die Fledermäuse mit den Menschengesichtern herum und ließen so nebenher einen wahren Shitstorm auf uns hernieder, während sie nachts zum Glück unterwegs waren. Eines Tages kam ein Sadhu-Mönch von der Nath-Bruderschaft vorbei. Nath bedeutet „Herr und Meister“, wobei  mit“Adi Nath“ (Erster Herr) Shiva gemeint ist. Man kann schon sagen, dass in Indien sehr gerne mit höchst veredelten und veradelten Titeln um sich geworfen wird, so sahen auch hier die Herren Mönche aus wie auf uralten Gemälden die Apostel dargestellt werden mit wallenden Gewändern und Bärten, eben alles, was ein Mann zur Amtsdurchführung braucht. Einer von ihnen kam also vorbei, nebenher ein Poet, weshalb ich ihm auch vermittelte, dass ich gerne meinen eigenen Platz, also Feuerplatz (Dhuni) hätte, denn meine Praxis hinterm Baum war vorbei. So setzte ich mich mit dem Nath, der so einen Platz kannte, in Bewegung, es war Vollmond und wir erreichten bei Mondlicht einen Ort in der Wüste, bei dem mir der Atem ins Stocken kam. Ich wusste dass, wenn ich hier nicht sein konnte, ich diesen Ort nie vergessen würde. Ein palastartiger Banianbaum erstreckte sich über unvorstellbare Weiten, in deren Mitte sich ein kleiner, schöner Tempel befand. Schlichte, die Logik sprengende Figuren wurden dort von Vorbeikommenden angebetet und die Puja mit Kokosnüssen zelebriert. Oft merkt man in Indien, wenn man Fragen stellt, weil man etwas genauer wissen will, dass einen das nur insofern weiterbringt, dass man merkt, wieviele Variationen es als Antworten gibt, eben so viele wie es Befragte gibt. Auch sehen die meisten Hindus, denen ich begegnet bin, keinen wirklichen Grund, etwas zu hinterfragen, denn ist nicht alles einfach da und wohlig eingebettet in das Absolute, wenn man es mal so nennen will, und es gibt nichts, was außerhalb davon ist, weshalb also zweifeln. Ich darf hier, mit Verlaub, eben d i e Anekdote dazu einfügen, die es mir zuerst verdeutlicht hat. Ich begegnete Devanand, einem Schullehrer, eines Tages auf dem Weg, und er fragte mich, ob ich wohl auch zum Ganeshtempel gehen würde, denn es war Ganesh-Tag. Nein, hatte ich nicht vor, fragte ihn aber in einem plötzlichen Anfall von (Wissensdurst? Humor?) Neugier, ob er tatsächlich glaube, dass Ganesh, der Elefantengott, geschätzt für philosophische Klugheit und Familienglück und Schutzgott aller Schreiberlinge, ob er also glaube, dass dieser Gott tatsächlich auf der Erde herumgelaufen sei, offensichtlich in einem anderen Zeit-Kontinuum. Seine Antwort war leise sich aufwühlender Ärger, denn was sollte er denn antworten. Klaro, sagte er und schaute mich mitleidig an, jetzt bist du schon so lange da und weißt nicht mal das. Ganesha aber reitet eigentlich auf einer Maus, die Maus ist sein Viman, sein Fahrzeug. Wie groß, ließ ich nicht locker, war dann die Maus!!? Seine rechte Hand suchte irgendwo Halt im Unbestimmbaren, holte dann aber aus mit großer Geste, bis klar war, dass Ganesha darauf passte. „Passt schon“ habe ich auch in Deutschland schon oft gehört. Passt schon, denn wer will ein Streitgespräch darüber beginnen, wie groß ein Elefant war, als er mit seinem Maus-Transporter unterwegs war, um wichtigere Dinge zu tun als Sachen anzuzweifeln, die da sind.

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