das Antun


Mario Terzic Skizze
Mir fiel ein Satz von Susan Sontag ein, wo sie meinte, dass man nicht vergessen soll, was Menschen imstande sind, anderen Lebewesen anzutun – vielleicht sogar freiwillig, begeistert, selbstgerecht. Sie sagte „dies hier“ und meinte etwas ganz Bestimmtes, von dem man lernen konnte, was Menschen sich gegenseitig antun können. Aber man kann sich ja einfach mal hinstellen und rundherum schauen, erst im nahen Umkreis, dann immer weiter in die Gesellschaft hinein, und ständig und vielerorts wird etwas angetan, oft so, dass es gar nicht groß auffällt. Und nicht in jedem Freundeskreis ist es üblich, dass man sich darauf verlassen kann, dass zumindest wir selbst merken, wenn wir etwas antun, auch wenn es im Verborgenen vor sich geht. Ein Unwohlsein, das in einem steckt und sich Bahn brechen will, und man merkt noch rechtzeitig, dass es nichts mit dem Anderen zu tun hat. Oder es h a t was mit dem Anderen zu tun und einem selbst wird was angetan. Nicht immer lassen sich schlüssige Verbindungen herstellen, und nicht immer hat man die Zeit oder die Gelegenheit oder den Wunsch, in die Biografien der Lebenden Einsicht zu bekommen, warum also was aus jemandem geworden ist, bevor das Angetane sich in einem unübersehbaren Fall manifestiert. Zum Beispiel steht jetzt der 21-jährige Russe vor Gericht, weil er genau d a s gemacht hat, was man ihm befohlen hat, eben „schieß, wenn du musst“, da meinte er zu müssen, und wir aus weiter Ferne verlangen von ihm Unterscheidungskraft, das ist ja auch richtig so. Deswegen ist der Krieg so ein herausforderndes Konstrukt: er sieht doch ganz und gar menschengemacht aus, obwohl die Götter immer gerne hineingeschmuggelt wurden ins Getümmel, damit das vorgegaukelte Heldentum mehr Blitz und Glanz bekommt, vor allem für die Gehirne der Dichter und Denker und Generäle und Agressoren, wo es direkt um Gesichtsverlust geht. Und jetzt lasse ich mal in diesem Überflug die Amazonenheere einfach weg, denn vielleicht wollten die Herren gerne, dass sich die Frauen auch mal was Undenkwürdiges antun: mitspielen, sich verkaufen, abschlachten und viele Handlungen mehr, die dann auftauchen wie Gespenster. Wenn es immer hässlicher wird und alle um Hab und Gut bangen müssen, manche aber um ihr ganzes Wesen und Werk. Auch lebt niemand gern zu lange vom Wohlwollen der Anderen. Und selbst wenn man betroffen ist, kann man nicht erwarten, dass andere sich aus einiger Ferne ständig geistig auf dem Schlachtfeld aufhalten, damit diejenigen, die den Opfernamen tragen, durchhalten können. Klar, die töten auch, es ist ja Krieg und ansonsten als illegal deklarierte Handlungen werden automatisch legal. Und bis jemand als tödlicher Feind gesehen werden kann, muss viel geschürt werden. Und eben: das Schüren fängt im ganz Kleinen an. Und das ist etwas, wo man zumindest als Weltling etwas tun kann: man kann das Schüren wachsam beobachten, damit da, wo man es nicht möchte, sich nichts entzündet und zu unnötiger Vernichtung beiträgt.

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