liveness


Lebendigkeits-Erkennung
Soweit ich das überblicken kann, gibt es nicht so viele Dinge, die uns Menschen jenseits allen Zweifels und überprüfbar alle gleichermaßen zur Verfügung stehen. Es sind vor allem die Geburt, also das vom Ich nicht kontrollierbare Eingeschleustwerden in die Schicksalsbahn. Dann der Tod, so sicher und gleichzeitig so irritierend ungewiss, wie nur er, der berühmte Sensenmann, sein kann. Und dann natürlich der dazwischen liegende Zeit-Raum, in dem des jeweiligen Iches Spule aufgerollt wird, oder das Ich selber beginnt, aufzuspulen, und an der Qualität des Gewebes unwiderrufliche Muster deutlich werden, mit denen man sich beschäftigen muss, denn sie haben mit der eigenen Handhabung des Vorgefundenen zu tun, ob man das nun so sehen will oder nicht. Dabei ist man grundsätzlich gar nicht verpflichtet, nur die Planung einer einzigen Identitätskarriere anzulegen, nein. Die Möglichkeit der Identitätsentfaltung hängt vor allem von meinem eigenen Interesse ab, Facetten meiner persönlichen Anlagen manifestieren zu können. Mit tödlicher Sicherheit kommt dann irgendwann die Kreuzung, wo ich mich entscheiden muss, ob ich diese ganzen Varianten meines Spiels als mein eigentliches Ich betrachte, oder ob dieses Ich noch einen Gegenspieler oder eine Gegenspielerin hat, dem oder der es gelingen muss (u.a.), das Gendern auch noch zu lassen, und man sich der (inzwischen) vertrauten Wärme des Nichts hinzugeben bereit ist. Denn was ist dieses Nichts anderes als das ganze Potential dessen, was ich in letzter Konsequenz bin: eben das, was mir in der gegebenen Zeit möglich war und ist, und bin an jedem Tisch der Welt die vollendete Summe davon. Durch die ernsthafte Betrachtung eines Krieges, wenn auch aus dem Luxus der Beobachtung heraus, wird einem klar, wie unendlich schmerzhat die sang-und klanglose Vergeudung menschlichen Daseins ist, eine der niedrigsten Verbrechen am Menschsein an sich. Und so scheint er, der Krieg, in seiner ganzen Glanzlosigkeit tatsächlich als ein Weltgong zu dienen, den man schwerlich überhören kann, und dessen wirkungsvolle Einbußen bis in die letzten Winkel des Alltags zu spüren sind. Nun kommt es auf den Umgang mit den Einbußen an. Wenn Menschen sich zum Fasten willentlich entscheiden, ist die Wahrscheinlichkeit des Gelingens (was auch immer dabei gelingen soll) größer, als wenn Menschen auf einmal nichts mehr zu essen haben. Das alles scheint sich in der Hauptschaltstelle zu entscheiden.Dort sitzt jeder Mensch allein, kein Zweifel, aber immerhin haben wir da das gewisse Maß an Freiheit, das bestimmen kann,wohin die Fahrt geht. Doch. Haben wir. Denn das ist ja das Dritte, was wir unleugbar als potentielle Aufgabe haben: im Labyrinth, in das wir hineingeboren wurden, den Faden nicht zu verlieren, den wir selbst am Spinnen sind, damit uns das eigene Schicksal nicht grundlos entgleitet. Und doch, wenn es Zeit dafür ist, dem Entgleiten der selbst auferlegten Identitäten wiederum Raum zu geben.

 

Zum Bild: ungefragt legte sich das Winzlingsteil einer Blüte auf dem Blatt nieder und legalisierte dadurch nicht nur den Raubzug des Bildes, sondern bildete mit den Fingerfurchen ein weiträumiges Herz, das nicht sofort ins Auge fällt. Kategorie: Wunder des Alltäglichen.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert