also

Die Frage tauchte auf, wieweit „man“ an einem Krieg beteiligt ist und wodurch. Wenn ein Land sich dem Willen der Vernichtung ausgesetzt sieht, herrschen andere Gesetze als da, wo man noch entscheiden kann, was man denkt. Durch welches Denken (und Fühlen) ist man beteiligt? Auf jeden Fall hat der Krieg in der Ukraine bei mir eine Art Nebenszene erzeugt, in der ich mich in einer Entschlossenheit bewege, alles um mich herum noch einmal neu zu betrachten, also in gewissem Sinne mich selbst zu betrachten in all den Dingen, die oft schon jahrelang in schönen Kisten um mich herumlagern: die Indienkiste und die Notizbuchkiste und die Artikelkiste, und die vielen Sammelleidenschaften, die sich überall verstecken und aufschreien, wenn man sie auseinandernehmen will. Oder zumindest einen neuen Platz für sie finden, sodass ich wenigstens die Ordnungen erneuern kann. Denn auch wenn, wie es mir gerade gelingt, vieles weggebracht werden kann, bleibt doch immer etwas übrig, was die tiefen Töne der Verbundenheit in mir auslöst, mit mir selbst, versteht sich. Oder auf einmal in einem (Geo Epoche) Heft aus dem Jahre 2007 über die Weimarer Republik nicht nur auf die furchtbaren Wogen zwischen Enthemmung und Abgründigkeit zu blicken mit vielen beunruhigenden Elementen der heutigen Zeit, sondern ganz hinten auf Seite 181 ein paar Zeilen von Karl Jaspers zu finden, die einen spüren lassen, dass hier ein Philosoph nicht nur kristallklar denkt, sondern dass diese „Existenz“, wie er es definiert, „der Grund ist für alles, was wir sind, und was an sich ist.“  Und dass dieses Sein sich dem Denken entzieht,also nicht zu definieren sei. Es sei aber zu erleben – in Grenzsituationen, im Leid oder in Todesnähe – und in offener zwischenmenschlicher Kommunikation. Wieder sind wir bei Zelensky, in dem man einen Menschen erkennen kann, der in Sachen Mut und authentischer Handlungsfähigkeit zur Zeit ein Vorbild ist, was auch immer weiterhin geschehen mag. Nein, nicht was auch immer geschehen mag, sondern mag es gelingen, einem persönlich also, aber auch der gerade in bebender Dringlichkeit sich bewegenden Weltpolitik, dem unmenschlichen Gemetzel ein Ende zu bereiten, und gerade das ist zur Zeit so brandgefährlich. Weil das Böse, da, wo es als solches benannt wird, leider immer noch banal ist, und das ist vielleicht das Schrecklichste an dem Ganzen. Dass wir mitbekommen, wie es wieder seine unendlich öden Köpfe zeigt, während es Menschenleben auslöscht, und Tierleben, und jahrelanges, dunkles Schwanken des Geistes. Denn auch wenn wir uns nicht inmitten des Kriegsgetümmels bewegen müssen, so bleibt uns doch die Finsternis nicht erspart, die ihn begleitet. Und warum das nicht bei allen anderen Kriegen (ganz genauso) war, liegt vielleicht doch an all dem, was Jaspers mit „Existenz“ meint, oder mit Sein. Dass es uns zutiefst etwas angeht, uns selbst, aber dass wir auch durch die Anderen d e n Hauch von Licht erfahren können, der uns zu Menschen macht. Ich meine: menschlich. Insofern kann ich schon sagen, dass ich beteiligt bin. Wenn auch nicht im Kontext der Waffenzufuhr, so doch durch die Möglichkeit, dem geistigen Schlaf entgegen zu wirken. Dem geistigen Gefangensein in der Ich-Blase also.

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