drauf achten

Wegen dem schönen Flow der Gäste war ich nicht zu meinen Pinseln und Farben vorgedrungen und fand es passend für den letzten Tag des Jahres, unvermeidlich wie er nun mal ist, gar kein Bild zu haben, als mir dieses ins Auge fiel. Es entsprach sofort der Nüchternheit, die ich an solchen Tagen in mir hege, wobei ich erst spät bemerkte, dass am oberen Rand etwas stand, nämlich: das Kleinste. Sofort ahnt man, dass das rechts unten damit gemeint sein könnte, wozu einem einiges einfallen könnte, was aber nicht sein muss. Ich sehe es eher als eine Straße, die irgendwo hinführt, das reicht ja auch erst einmal. Immer habe ich es gerne vermieden, am Jahresende zwanghaft darüber nachzudenken, was denn alles so los war, während ich an allen anderen Tagen des Jahres dafür bin, darüber nachzudenken, was alles so los ist. Auch kann ich mich selten bei einem Vorsatz ertappen, den ich hier im Angesicht einer vorwärtsrückenden Zahl besonders gerne formulieren möchte, wobei natürlich die neue Zahl einen tiefen Eindruck hinterlassen kann. Wow, die Reste der Unsterblichkeitsphantasien verblassen allmählich, und nun weiß man schon, hier wechsle ich zum Ich, weiß also schon, dass ich bestimmte weltumwandelnde Geschehnisse nicht mehr erleben werde, sowas wie ein grasgrünes, von lieben Menschen durchtanztes Erdreich zum Beispiel, das kann sich kurz mal jammerschade anfühlen, also alle dabei, nur ich nicht, aber gut: dafür braucht man an solchen Tagen die Stocknüchternheit, natürlich nicht ohne einen Schuß Bereitschaft zu Glanzvollem, wie immer es sich selbst ausdrücken möchte: in der Entspannung, im Planlosen, im Essen, in der Freiheit, ins Bett zu gehen, wenn man müde ist. Aber klar, meistens hält man dann ja doch durch. Hey, man war dabei, als einem klar wurde, dass wir nicht einmal ein gemeinsames Mitternacht auf dieser Erde haben, nein, überall bricht sich der kollektive Feuerwerksorgasmus zu anderen Zeiten Bahn, bzw. brach sich Bahn, denn Zündeln und Crackern ist dieses Jahr fast verboten. Auf jeden Fall gibt es Feuerwerkskörperverbotszonen. Natürlich möchte man keinen Bürgerkrieg, und man kann auch am 8.Januar noch hoffen, dass es irgendwelchen begabten Diplomaten gelingt, Putins Selbstherrlichkeit in Zaum zu halten, ohne dass das potente Bärenfell auf seinen russischen Schultern Schaden nimmt. Was fällt mir denn sonst noch Unnützes ein? Geradewegs ein Traum, der gar nicht so unnütz war, allerdings nur für mich, aber das darf am letzten Tag des Jahres ruhig mal so sein. Ich saß also tatsächlich in  einem Flugzeug nach Indien und fühlte mich höchst beglückt, ja, fast überrascht, dass ich es trotzdem geschafft habe. Meine Blicke fielen beim Hinunterschauen am Vordersitz auf ein paar Socken. Offensichtlich hatte der Mann seine Schuhe ausgezogen und ich wusste, dass es der zweite Mann meiner Mutter war, und freute mich riesig, dass er dabei war. Er lebt schon lange nicht mehr, aber das Gefühl war trotzdem authentisch, auch wenn etwas verspätet. Alles andere, was mir einfallen könnte, weiß eh jede/r: dass der Regierungswechsel auffallend friedlich verlief, dass Omikron sein Heereslager am Rand des Daseins aufgeschlagen hat und keiner weiß, ob er einrücken wird oder nicht. Und halt so weiter innerhalb der sehr individuellen Schicksale, in denen viel Schweres zu ertragen und tragen ist, aber auch viel Schönes und Strahlendes vor sich geht, und auf beiden Seiten muss oder kann man auf die Konturen achten, und natürlich auf sich und die Anderen.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert