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Gestern wurde in Indien das Lichterfest „Diwali“ gefeiert, und das Bild kam zu mir in einer Mail. Keine Ahnung wer sie ist, und ihren Schmuck habe ich auch vorher noch nicht gesehen. Einerseits das blutrote Stirnband, wie ein Stück Filz über die Stirn geklebt, und über dem Mund ein dunkles und ein helles Gebilde, das schwer zu definieren ist. Aber ich bin auch froh, dass niemand in der Nähe ist, den ich fragen könnte, denn jede/r Inder/in würde sofort etwas anderes wissen. Indien trägt immer noch als Land und Kultur die Bürde der Wissensverpflichtung, weshalb man auch besser auf der Straße niemandem nach dem Weg fragt, denn es wird lieber irgendwohin gezeigt als zugegeben, dass man was nicht weiß. Und so bin ich, zumindest in diesem Falle, zufrieden mit dem, was ich sehe, und fühle keinerlei Druck, das Geheimnis gelüftet zu haben über diesen schwarzen Lippenfleck neben dem hellen Herbstblatt, nein, es kann einfach sein, was es ist, denn es tut ja nicht so, als wäre es real. Und was ist schon real, man kann darüber nachdenken. Gilt nur, was man selbst als „real“ empfindet, oder ist man, wenn man es genauer wissen will, nicht nur verpflichtet, bei sich selbst nachzufragen, sondern kann sehr wohl andere Werke durchforsten, in denen sich Geister abgerackert haben, hinter die schwerwiegenden Vorhänge der Menschengeschichte zu blicken und auf das gefasst zu sein, was sich da zeigen kann, eben, wenn man auf einmal genauer hinschaut. Nicht, dass es eine letzte Erklärung gäbe, nein, sondern man kann schauen, wohin sich diese Geister geneigt haben, wie weit sie mit ihrer Sicht den labyrintischen Wahnsinn durchdrungen haben, wenn sie nicht unterwegs auf irgendwelchen Treppen unter der Last des Nichtzuwissenden zusammengebrochen sind, bevor sie das Zeitliche segnen konnten. Es wäre sicher nicht unklug, das Zeitliche zu segnen, während man lebt. Auf jeden Fall könnte es einen aus der Urangst vor dem Unvermeidlichen herauskatapultieren, und man befände sich plötzlich auf einer Schaltfläche, hätte das Schlimmste an persönlichen Vorstellungsmanövern schon hinter sich gebracht, und hätte dadurch Zeit und Raum gewonnen, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Aus dieser harmllos klingenden Bemerkung formt sich das nächste Abenteuer heraus, nämlich: was betrachte oder empfinde ich selbst als das Wesentliche. Geht es nun um m e i n Wesen oder das Wesen des Ganzen als der gegebene Wohnraum meiner Existenz. Um zu der nötigen Klarheit zu kommen, die ich zu weiterer Navigation benötige, muss ich mich für kurze oder längere Zeit von der akzeptierten Konventionalität des bestehenden Weltkonzepts trennen, beziehungsweise eine einfache Kehrtwendung machen, um in der Lage zu sein, mich selbst in den Blick zu nehmen, damit ein Dialog überhaupt stattfinden kann. Da ich mir hier als ein heimkehrender Fremdling oft nach langer Zeit wieder begegne und aufmerksam wahrnehme und angemessen zu beantworten suche, habe ich einiges zu tun, bevor die gewünschte Klarheit sich manifestieren kann, und auch hier gibt es keine Garantie für etwas, was niemand mehr anbieten oder unterstützen oder verherrlichen oder verheimlichen oder verordnen oder verimpfen oder verwehren und soweiter kann. Nun muss ich oder kann ich oder will ich den Schalthebel wählen. Und los geht die Fahrt, und gute Reise uns allen wünsch ich.

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