deutsches Wählen

Es wird vermutlich der zweite Winter werden, den ich nicht in Indien verbringe, obwohl ich mir noch ein Hintertor bereit halte, um doch noch diese Reise zu unternehmen. Allerdings wird es in jedem Fall eine bewusst gelebte Abschiedsreise werden und sollte in möglichst günstigen Umständen stattfinden. Die gestalten sich allerdings ziemlich zwielichtig, denn einerseeits hat Narendra Modi hinausposaunt, dass es jetzt ungefähr 500 000 kostenlose Visas (Visen?) geben wird, um uns wieder dorthin zu locken, wo die Hotels leer stehen und die finanzielle Situation für viele verheerend ist, oder noch verheerender als vorher. Manchmal wird ja in deutschen Medien die deutsche Armut diskutiert, und wie man sie eigentlich definiert. In Indien muss man sie nicht definieren, man kann sie erleben und läuft ständig an ihr vorüber, wobei ich es angebracht fand, meinen eigenen Umgang damit zu finden. Es ist ja nicht so einfach in Deutschland, wirklich arm zu sein, heißt vielleicht: angewiesen auf die Wohltaten anderer. Allerdings gibt es in Indien auch reiche Bettler, und arme Könige gab es auch. Nun ist also quasi ein Teil von mir zurückgekehrt in das Land, ja was denn für ein Land, also das Land, in das hinein ich geboren bin oder wurde. Und manchmal kann die bildliche Erinnerung an sogenannte erste Tage sein, dass ich mich aus einem pechschwarzen Krater emporkraxeln sehe, allerdings an einer Leiter, die ich später als die deutsche Sprache bezeichnet oder erkannt habe, und die mir trotz anderen Sprachen, die ich spreche, die herzens-bzw. geistesnahste geblieben ist. Gerne hätte ich die indischen Freunde an meinen schriftlichen Erfahrungen in ihrem Land teilhaben lassen, aber ich kam nicht einmal auf die Idee, meine deutsche Sprache nicht am Leben zu halten, da sie viel dazu beigetragen hat, m i c h am Leben zu erhalten. Oder mir ermöglicht hat, mich im Raum des Lebendigen aufzuhalten und von da aus meine Spur zu legen. Es kann sehr wohl sein, dass ich auch mein deutsches Hiersein neu erlebe, das muss ich noch beobachten. Es ist ja interesant, aus welchen Eigenschaften eines Volkes eine Sprache oder ein Denken entsteht. Und das, was da entsteht, kann genutzt oder missbraucht werden, kann zu Verarmung oder zu Bereicherung führen, jetzt im besten Sinn des Wortes. Tatsächlich läuft der Wahlvorgang aus meinem Blickwinkel heraus sehr deutsch ab. Abgesehen von der Genderfrage, wo vieles noch die berühmte Luft nach oben hat, so kann man doch sehen, wie viele BürgerInnen w a s oder wen gewählt haben. Ein bisschen Jubel, eine geradezu emotionslose Trockenheit, dadurch auch was Verlässliches. Und klar, alle waren in redlichen Schulabläufen und haben sich durchgeackert bis in die Nähe der Spitze, wo dann am Schluss nur Eine/r sitzen kann, zumindest im angestrebten Amt. Die Deutschen gelten ja gerne als ein bisschen unheimlich, und selbst Angela Merkel war da keine Ausnahme, denn sie war Frau und klug und mächtig zugleich, das gibt’s ja nicht so häufig. Oder doch schon viel mehr, als man denkt? Wenn man in einer Zeit lebt, in der außergewöhnlich viele Weltprobleme zu bewältigen sind, wünscht man sich am Steuerrad einen ruhigen Pol. Den kann Herr Scholz vermutlich besser darstellen als Armin Laschet, der sich selbst aus der Politarena hinausbugsiert und erst noch verstehen muss, was mit ihm los war  und wozu es führte. So kann man dem Ganzen eigentlich ziemlich gelassen entgegen sehen. Weder tragen wir Burka, noch nagen wir am Hungertuch. Wie wir unser Leben gestalten, ist unsere eigene Verantwortung. Neue Festlichkeiten könnten eingeführt werden, so zum Beispiel das Lebensgestaltungsfest. Oder gibt es das auch schon?

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