sorgen

Ja, es gibt Grund zur Sorge für all diejenigen, die offensichtlich so eine Angst haben vor der Willkür dieser (Taliban)-Männer, dass sie sich lieber in neue Gefahren stürzen und dadurch manchmal auch zu Tode kommen. Einerseits ist also die Todesangst die Mutter aller Religionen, andrerseits kann die Furcht vor religiösen Ausschreitungen auch zur Flucht  aus dem Mutterland führen. Wenn ich mich mal zu der Bemühung bereit fühlte, auf die grundsätzliche Freiheit des Geistes aller Menschen hinzuweisen, wird das gerne zurückgewiesen wegen all denen, für die das gar keine Option zu sein scheint, ich sehe das anders. In meiner eigenen Erfahrung war es eher so, dass ich während meiner Jahre in der indischen Gesellschaft oft überrascht wurde durch die geistige Nähe, die ich dort mit Frauen erlebte, die ohne große, komplexe Gedankengänge die vorhandene Realität genauso eingeschätzt haben wie ich bzw. viele von uns aus dem Westen. Natürlich braucht jedes Kind, das das Licht der Welt erblickt, eine Anregung auch zu verhältnismäßig simplen Gedanken, die man oft genug für selbstverständlich hält wie: ich bin erwünscht und geliebt von meinen Eltern, und es interessiert sie zutiefst, wer sich hier vor ihren Augen wohl zeigen wird und wie man darin unterstützend wirken kann. Und genau wegen der Abwesenheit von all diesen vermuteten Selbstverständlichkeiten kann man einen Moment lang gerne mal die Sicht bemühen, dass die vorhandenen Krankheitssymptome der PlanetarierInnen entweder zeigen, dass es hier immer viel zu heilen und zu leiden gibt, oder es kommt zu Punkten, wo bestimmte Formen des Leidens nicht mehr akzeptabel erscheinen, oder man ist nicht mehr willig, etwas mitzutragen, was einen nicht aus den Klauen der Ideologien oder Muster entlässt. Sodass man einzig und allein auf sich zurückgeworfen wird, was meist eine erstaunlich befreiende Wirkung auf das eigene Wesen haben und nun eine neue Ebene der Handlungsfähigkeit erschaffen kann, aber nicht muss. Und klar mag das die westliche Verführung sein, vor der Männer wie die Taliban sich am meisten fürchten, nämlich dass jemand ihren Frauen plausibel macht, dass sie auch ein Recht haben auf ihr eigenes Leben. Oft täuscht das äußere Bild auch durch eine scheinbar entspannte Szenerie, wie ich es durchweg in Indien erlebt habe. „Wir beschützen unsere Frauen, indem sie im Haus bleiben“, meinte Bal Krishna einmal zu mir“. Und vor wem, fragte ich ihn, beschützt ihr sie denn? Die Frage war ihm unbekannt, noch mehr aber die Antwort. Als ich ein paar Jahre in einem Tempel lebte, musste ich einige der lächerlichsten Prüfungen durchlaufen, die ich für möglich gehalten hätte, hätte ich davon gewusst. Manchmal war ich als einzige Frau unter hunderten von Sadhus (wandernde Mönche) und wurde zum Beispiel nachts zwischen zwei von ihnen gelegt, um zu sehen, ob ich mich beherrschen kann. Allerdings konnte ich nach all diesen Sperenzchen dem Boss der Bruderschaft klar machen, dass ich hier nicht herumhängen würde auf der Suche nach, ja, nach was überhaupt. Einmal wollte er beobachten, wie ich reagieren würde, als er mich auf die Seite der weiblichen Gemeindemitglieder setzte und mich bat, ein Lied zu singen. Zum Glück fiel mir das Lied von Elton John ein „The words I have to say may well be simple, but they’re true…until you give your love, there’s nothing more that you can do…“,was einen durchaus (von mir) erwünschten Effekt erzeugte, nämlich, dass lächerliche Überprüfungen nie wieder vorkamen. Am beeindruckendsten in der afghanischen Tragödie fand ich bis jetzt das Bild von vier Frauen, die auf den Straßen von Kabul mit Schildern standen, auf denen sie ihre Freiheit beanspruchten, direkt im Blickfeld der Taliban. Da finde ich es zuweilen in unserer Welt noch verwirrender, wenn ich sehe, was Frauen hier mit ihrer immensen Freiheit anstellen, oder noch nicht einmal wahrgenommen haben, dass es sie tatsächlich gibt.

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