schweigsam

Eines meiner Gedichte beginnt mit den Zeilen „Berge machen schweigsam -Wüsten machen schweigsam – Menschen machen schweigsam……“, und ich kann heute sagen, dass ich auf jeden Fall die Schweigsamkeit aus eigener Erfahrung kenne, die durch Berge und Wüsten verursacht werden kann. In beiden Fällen ist es wohl das Überwältigtsein durch ein weit über einen selbst hinaus Geschehendes, worauf man nie vorbereitet ist. Und meistens ist es das Resultat eines Durchhaltevermögens, sei es das keuchende Erklimmen eines Bergpfades oder das holprige Durchqueren eines Wüstengebietes mit einem Kamelwagen. Dass auch Menschen einen schweigsam machen können, wusste ich lange nicht, denn ich selbst wurde jahrelang als schweigsam wahrgenommen von Freunden oder Beobachtenden, wobei ich selbst das Gefühl gar nicht hatte, da es keine Worthemmung war, sondern ich es als natürlich empfand, etwas zu sagen, wenn ich das wollte. Wenn man gerne schreibt, kann einem allerdings diese Tätigkeit vorgaukeln, als wäre es dem Sprechen ähnlich, oder gar gleichzusetzen, was es nicht ist. Und wie im Automaten, wenn der Groschen klimpert und die Ware ins Fach fällt, so fällt mir die Aussage von Hermann Kayserling ein, der Deutsche sei eine Monade (nach Leibniz eine Ureinheit) ohne Fenster. Also einerseits  eine Ureinheit, andrerseits oft leider kein Fenster nach draußen geöffnet… Das heißt, dass es innen mehr oder weniger intensiv vor sich hinbrütet, bis es das persönliche Denkmodell als allumfassend empfindet, ohne darauf zu achten, dass wesentliche Kontakte zum Außen lebensnotwendig sind, insofern „Leben“ von sich selbst bereits definiert ist als etwas, was in Bewegung bleibt und sich den vielen Varianten der Erstarrung entgegen zu stellen lernt. Aber da, wo Menschen wirklich schweigsam machen (können), ist da, wo man erkennen muss, dass das menschliche Verhalten in jeder Hinsicht eine Grenze bietet. Nicht nur stoßen wir ständig auf Grenzen im menschlcihen Zusammenspiel, sondern wir stellen selbst die Grenze schon allein durch unsere Existenz dar, die nur ich selbst genau kenne, beziehungsweise zu einem ganz bestimmten Grad auch kennen lernen muss, will ich mit einem eigenen Blick das zu Erlebende durch mich selbst erfassen, was schon allein eine gewisse Entscheidung und Ausrichtung braucht. Denn auch, wenn ich eine Tür in die Monade einbauen lasse, kommt es darauf an, wo ich hingehe und ob ich in Verbindung bleiben kann mit meinem inneren Wohnort, soweit dieser ausgestattet ist mit einer Wohnlichkeit, die mir entspricht. In mir gibt es zum Beispiel einen Banianbaum, der für mich den vollkommenen Wohnort darstellt, da ich dort (so ziemlich) alles habe, was ich brauche, aber es gibt auch Platz genug für die, mit denen ich durch liebevolle Erfahrungen verbunden bin, und immer sind sie willkommen. Könnten wir als Menschen selbst einschätzen, wann wir bei uns sind und wann nicht, würde sich der Zusammenklang oft günstiger gestalten. Schlimm ist, wenn man erkennt, dass man schweigen muss, weil es irgendwo oder irgendwie oder irgendwann gar nicht mehr weiter geht. Auch da ist es sinnlos, wenn man sich Schweigsamkeit auferlegt, die nur zu weiteren Spannungsfeldern führt. Ratsam ist sicherlich auch, das Fenster geöffnet zu halten, oder vielleicht sogar aus der Türe ein Tor zu machen, das sind (geistig) architektonische Feinheiten. Am schlimmsten ist, wenn man sich nichts mehr zu sagen hat. Und genau dann ist Schweigsamkeit wiederum angesagt und angemessen, denn immerhin spricht sie ihre eigene Sprache.

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