immer (auch)

Eben: die Wundertüte. Sie öffnete sich so verlässlich wie stets. Der von mir neuerdings unöffentlich genannte ‚Diktator‘  (Narendra Modi) ließ die Kommunikationsschleusen für uns, das Dummerchenvolk, wieder öffnen, leider nicht in Kaschmir, wohin er allerdings eine Gruppe rechter Minister aus Europa einlud (Empfehlung zum Nachlesen), um zu zeigen, wie schön es da ist, wenn die Muslime in ihen Häusern eingesperrt werden und schon seit Wochen kein Netz haben, da hat er es vermutlich gelernt. Man sieht, ich bin noch am Verarbeiten, es kommt ja immer wieder Neues hinzu, natürlich auch erfreuliches Neues. Es kam dann also der ganz wichtige Abend, Vollmond und noch einmal das Eintauchen Aller in den Schöpfersegen, denn danach, verkündete er (Brahma) einst, wird das ganze Feld, das heißt der ganze Umkreis, in die Luftebene gehoben, und Schluss ist mit dem Unsterblichwerden. Aber zurück zum letzten Festakt, der direkt vor meinem Fenster stattfand, sodass ich mich entspannt im Schatten des Erkers mit meinem Espresso niederlassen konnte. Überhaupt hatte die Rückkehr der Netztverbindung eine Art Erlösungseffekt auf mich, denn obwohl Indien groß ist und ich Herrin im eigenen Haus, kam ich mir zwischendrin vor wie verbannt an einen Dorfteich, in dem auch die Fische um Atem ringen. Natürlich ist da auch eine Spur Addiction drin, aber vor allem bitte Zugang zu anderen Welt -und Begegnungsformen, der Austausch mit Freunden auch in anderen Ländern etc. Gut, unten war Ravi also wieder voll in Fahrt mit der super special Gottesandacht. Sein Vater, der Sohn und er selbst waren in makellose, tiefrote Tücher hineingewandet und sangen sehr lange Sanskrittexte, während der Mond sich ab und zu durch die Wolken hindurch zeigte und wieder verschwand. Überall am See blinkten Tausende von Öllämpchen, ich hatte keine Lust, Photos zu machen, es war nicht einzufangen. Solche Feste zu ekstatischem Höhepunkt hingestalten und alle mitnehmen, die dabei sind, das können sie, Hindus, wirklich auf geniale Weise. Es ist wie ein eingeübtes Stammesritual. Ravi gibt ein paar Anweisungen und schon trägt kein Fuß mehr Schuhe, Touristen und Touristinnen drehen sich willig im Kreis oder heben die Hände zur Preisung des Ortes, alles wie in Trance. Das ist genau das, was dann politisch gefährlich wird. Aber noch beim Fest bleiben, denn der beste Teil kam noch, obwohl die gähnend langen Texte einen Großteil der TeilnehmerInnen bereits in weitere Belebungen getrieben hatten. Es kamen Tänzerinnen des berühmten Odissi Stils, von dem es schon im 1. Jahrhunder v. Chr. Abbildungen gibt, ein wunderbarer  Tanz, aufgeführt von jungen Frauen, die hinreißend anzusehen waren mit diesen fast mathematisch exakten Bewegungen, sehr komplex, sehr kunstvoll, dazu die uralten Gesänge, die sofort ihre Wege in die Herzgegend finden und einen (mich) einen langen Moment lang wissen lassen, dass es die Sanftmut und die Menschlichkeit und die Gewaltlosigkeit gibt. Da ist man dankbar, wenn man, wenn auch fast zufällig, dabei sein kann. Ich konnte auch sehen, dass Ravi (da ich ihn nun schon mal beim Namen genannt und alles, was ich hier sage, ihm selbst schon gesagt habe), dass er weiß, was er tut, auch wenn es manchmal schwer zu ertragen ist, aber es bringt in der Tat viele Menschen, wenn auch nur kurz, so dennoch in einen Einklang, der anderweitig schwer zu erreichen wäre. Es sind die Rituale, die verbinden, und solange es Gläubige und Glaubenswillige gibt, wird es funktionieren, also vermutlich ‚immer‘, solange das Immer eben andauert.

Bild: einer der Odissi Tänzerinnen gestern Abend.


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