bewölkt

Das ist eins von drei Bildern, die ich während des (Kamel)Festes gemacht habe, als einmal keine Menschenmassen vorbeikamen. Es ist auch in Indien selten geworden, dass man eine Szene aufnehmen kann, die aus der Urzeit zu kommen scheint, da nichts die Neuzeit verrät, na fast, denn auch hier kreuzt ein Draht das Bild. Es ist nicht so, dass ich der Vorzeit nachtrauere, um Himmels Willen. Ich kenne diesen Ort noch, als Hindus die Nase rümpften über die Vorstellung von einer Toilette im Haus. Genau das war allerdings eins der  Anliegen von Mahatma Gandhi, der seine Frau mehr oder weniger zwang, mit einer Porzellan-Toilette auf dem Kopf balanciert durch die Dörfer zu ziehen, damit das Menschenmögliche sichtbar wird. Nein, kein Nachtrauern, eher ein Bemühen, das momentan Seiende einigermaßen ‚real‘ einzuschätzen. Worte können einem wenig hilfreich vorkommen, und doch sind gerade sie die Helfer des potentiellen Verstehens, zu dem man selbst bereit ist. Ich habe die morgendliche See-Umrundung wieder aufgenommen, und es ist angenehm, denn die Wege sind gefegt, und alles ruht in einer Art Nacherschöpfung, die mit dem seit Tagen bewölkten Himmel konform geht. Das kenne ich bzw ‚wir‘ kennen das nicht vom November, und Mohans Bruder blickt düster ins Wolkenmeer und meint, dass sich alles verändert, der Himmel, die Menschen, die Herzen. Es ist ja letztendlich egal, ob der Hohepriester aus dem Alten Ägypten schon über das Nachlassen der Herzensgüte geklagt hat, und schließlich gab es genug Plagen und Seuchen und verwirrenden Irrsinn im Epos der Menschheit, aber es ist nochmal anders, wenn man selbst drin ist und was merkt. Was merkt man denn? Klar ist, es häufen sich Zeichen, aber so eindeutig ist das ja alles nicht, denn jede Generation bringt ihre eigenen Zeichen hervor, zerrissene Jeans, blaue Haare, immer klüger werdende Köpfe, lockeren Umgang mit der Technik undsoweiter. Das ist ja nicht das, worüber man zu trauern bereit ist. Es ist eher so etwas wie die gnadenlose Gleichgültigkeit den Tieren gegenüber, die ich hier weiterhin Plastik fressen sehe, und diese Verlogenheit von den heiligen Kühen, weiß doch inzwischen jeder, was von Indien tonnenweise raustransportiert wird, und eben nicht von Muslimen. Und es wurde mir sonnenklar, dass ich mich vor der Entfesselung dieser von Religionen kultivierten Herdentriebe fürchten würde, wären sie nicht eingebunden und eingebettet in Strukturen, die sich seit Jahrtausenden im Blut verankert haben. Nicht, dass diese Formen Aussage machen können über das, wie es ist oder sein kann mit Menschen, sondern nur darüber, was den meisten Menschen leichter und zugängiger  erscheint als eigenes Denken und eigene Wahrnehmung. Und ich nehme durchaus wahr, dass etwas Unheimliches und Beunruhigendes im Gange ist, und es hat ganz sicher mit dem Ausmaß der Habgier zu tun. Wenn nur noch zählt, was ich selber haben will (auch das heilige Heil), und wie ich rankomme an das Ding oder die Sache, die ich glaube, dringend zu brauchen. Man will ja auch keine Spielverderberin sein oder ständig auf die auffallende geistige Bewölkung hinweisen, ohne selbst in die Schusslinie zu geraten. Die gemeinsame Frage ist vielleicht: was ist angebracht, angemessen, hilfreich, um das labyrinthische Rätsel zu lösen zwischen dem Ich, dem Wir und dem Garten, den wir gemeinsam bewohnen.

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