traditionell

Als ich dieses Bild heute früh zugesandt bekommen habe, wollte ich wissen, was da steht, und es steht geschrieben „Möge deine Seele glücklich sein“ und bezog sich auf den Tod der Großmutter, die am Montag in Afghanistan gestorben war, und nun dieser Aufruhr einer Tochter (mit der wir seit Jahren befreundet sind), die eigentlich aus verschiedenen Gründen nicht  hinfahren kann zur Beerdigung, was dort nicht verstanden wird und deshalb die Leiche noch ein paar Tage im Kühlraum gehalten, bis eine Entscheidung gefällt ist. Traditionen, die nicht mehr in vollem Ausmaß, heißt: in eigenem Raum, gelebt werden können, erzeugen oft ungeheuerliche Beschwernisse. Der Sohn kommt nach Hause und will einen Weihnachtsbaum, der Islam hat keinen. Die Mutter kann nicht nach Afghanistan u.a., weil die Ausländerbehörde keinen Urlaub gibt. Traditionen, die aufeinanderprallen!? Vieles unterscheidet sich ja nur durch Formen. Die meisten Inder essen, soweit ich weiß, heiße Brotfladen zum Frühstück mit ähnlicher Gemüsezubereitung wie nachmittags und abends. Hier in Deutschland freue ich mich dann auf gutes Brot und Butter und was auch immer draufkommt, so viele Möglichkeiten. Die Kleidung ist generell anders, ja. Die Farbschattierungen dimmen herunter auf Schwarz, Grau und andere edle Variationen. Ist man eine Weile da, ändert sich wieder der Blick. Alles gleicht sich immer mehr an auf eine globale Weise. Im indischen Dorf fiel mir neulich auf, wie viele junge Männer vorne auf dem Kopf ein paar blonde Locken reingefärbt hatten. Die Anregung kam vom Netz. 30 Jahre gemeinsames WorlsWideNet, das ist doch dabei, uns alle aus den Traditionen herauszusteuern, oder nicht? Klar, bei uns steht auch noch der Weihnachtsbaum herum im Garten, man wirft ja so einen organischen Grünbaum nicht einfach weg. Das Geburtstagsfeiern hat sich u.a. in Indien auch eingeschlichen auf dem Schildkrötenpfad. Erst in Indien, als ich Mütter die Geburtdaten ihrer Kinder vergessen sah, oder die sie auch gar nicht wussten, sodass die ins College gehenden Kinder eins erfinden mussten, so um den Mond herum, an den die Mutter sich zu erinnern meinte, als es kam, erst da fand ich es nicht unwichtig, dass der Mensch mal einen Tag im Jahr haben soll, wo man ihn ehrt dafür, dass er geboren werden konnte und bis zum jeweiligen Tag durchgehalten hat. Auch an diesem Tag mal für jemanden zu singen, ist eine gute Idee, man kann überprüfen, ob man noch singen kann, oder ob einem vielleicht mal etwas anderes einfällt als happy birthday. Traditionen sind hartnäckig und fließen haltlos durchs Blut, wenn man sie lässt. Zu OmJi, einem älteren Brahmanen, habe ich neulich mal vor meiner Abreise gesagt, ich fände es ideal, wenn ich die beiden Traditionen zusammenrücken könnte, die indische und die deutsche. Dabei sind sie schon lange zusammengerückt, und es befassen sich eindeutig mehr Gehirne mit vedischem Gedankentum in Deutschland als in Indien. Indien ist Techno-und Technik-Führer geworden und ist bestrebt, das Weichei-Image der Nation abzulegen und zu den Waffen zu greifen. Nach was sucht Deutschland. Oder besser: auf was treibt das Geschehen in dieser Welt zu mit all den sich steigernden Erschütterungen, der sie ausgesetzt ist? Ich denke an eine Tradition der Menschlichkeit, die für mich hier vorherrschend wird. Was ist das: menschlich. Und wie gelingt es am besten im Miteinander, wo auch immer man sich aufhalten und vorfinden mag.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.