ankern

 

Gestern kam ich mal wieder am herrschaftlichen Sitz der Bruderschaft (der Naths) vorbei, mit der ich mal eng verbunden war und die mir Erlaubnis geben mussten, in der Wüste unter einem riesigen Banianbaum in einem Tempel zu wohnen, der unter ihrer Obhut stand. Die beiden Bilder, die ich gestern in ihrem Vorhof gemacht habe, musste ich in blitzschneller Eile hinbekommen, sonst wäre ich Fragen ausgesetzt gewesen, die ich nicht beantworten will. Das linke Bild zeigt den Wasserausgang aus einem ihrer kleinen Shivatempel, in dem der phallische Lingum thront (und auch die unerlässliche Yoni), der regelmäßig mit Wasser übergossen wird, das dann aus dieser Öffnung herausfließt, in der ich den dunklen Fürsten erblickte, den ich festhalten wollte. Ja, es ist das Land der Pfauen und der Elefanten und der Kamele und der farbenprächtigen Gewänder und überhaupt: Tuch und Turban. Aber es ist auch das Land der dunklen Geheimnisse, und schon oft hatte ich den Eindruck, dass gerade das Wasser, auch als Monsoon, diese Geister auf die alten Wände zeichnet und sie sichtbar macht. Das Bild daneben zeigt eine Flamme, dem schwarzen Gott Shani geweiht, die immer brennt mit reichlichem Ölnachguss. Frauen sind nach wie vor auf der schwarzen Marmorfläche nicht erlaubt, und das steht deutlich in großen Lettern geschrieben. Ich bemerke mit Freude, dass mein einstiger Versuch, das „nicht“ (in Hindi) mit schwarzer Farbe auszulöschen, sich nach ihrem Abkratzen immer noch deutlich absetzt  von den anderen Buchstaben in gelber Farbe. Manchmal müssen einem kleine Aktionen genügen, um ein Zeichen in die Mitte der eigenen Ohnmacht zu setzen. Ich wage noch einmal die scheinbar überholte Frage, wie es dazu kommen konnte, dass die beiden existierenden Geschlechter nicht in der Lage waren und sind, ihre gravierende Unterschiedlichkeit achtungsvoll wahrzunehmen, was eine natürliche Gleichberechtigung niemals in Frage stellen könnte. Immer noch niederere Löhne für gleiche, und oft kompetentere Arbeit? Usw. Wenn ich bei meiner Freundin Lali in ihrem Restaurant eine Weile mit ihr herumsitze, kann ich die Quelle dieses Phänomens konkret beobachten, wobei das Erfreuliche daran immer noch ist, dass ich mit ihr darüber lachen kann. Mit all den dort arbeitenden Männern, ihre Neffen und Brüder, ist es nicht nur unmöglich, ein Gespräch zu führen, sondern sie leben vollständig absorbiert in ihren eigenen Welten, die außer der anstehenden Arbeit, bei der sie erscheinen, wann sie möchten, aus Spielen auf dem Smartphone oder, vor allem während des Essens, aus uneingeschränktem Starren auf den Fernsehbildschirm besteht, der neuerdings leider dort angebracht wurde. Dann kann es vorkommen, dass ich daran erinnere, wie schädlich für Körper und Geist es ist, wirres Zeug über die Bilder in die Nahrung zu leiten, so, als könnte sie dadurch trotzdem ihre wesentliche Arbeit tun. Nein, kann sie nicht, genauso wenig, wie ich einen Menschen lieben kann, ohne ein tiefes Interesse an der Ergründung seines oder ihres Wesens zu aktivieren. Nun sind die ersten Mutanten geboren, und allmählich wird das aufwendige Ackern hin zu glaubwürdigem Menschsein technisch erleichtert werden können. Warum sollten Menschen dagegen sein, wenn man sie zu weiterer verlockender Gehirnwäsche inspiriert, und das ausgediente Menschenmodell gelöscht werden kann. Wir leben ja schon eine ganze Weile auf bestimmten Seiten des Science Fiction Romans.  Ich habe mich für ein eigenes Schiff entschieden, auf dem auch viel Raum ist für Gespräche und Festlichkeiten, und  habe auch gelernt, den Anker auszuwerfen und mir Zeit zu nehmen für Wesentliches, oder besser gesagt, was mir ganz persönlich als das Wesentliche erscheint.

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