trauern

Auch wenn einem ein Gedanke schon lange vertraut vorkommen mag, schadet es nichts, eines Tages von ihm getroffen zu werden wie ein Blitz, so, als hätte er endlich die Wirkung auf das eigene Wesen, die die ganze Zeit in ihm gelagert war. Manchmal muss man auch genügend vor sich hinreifen, um das ganze Ausmaß eines Erkennens verkraften zu können. So ist es kein Geheimnis, dass die ganze Welt ein Produkt der Vorstellungskraft ist, das ist ihr Reiz, das ist ihr Spiel, das ist ihr Drama, wie auch immer jede/r Anwesende es für sich erfährt und gestaltet. So ist es für mich in den letzten Tagen wie ein schwieriges Erfassen gekommen, dass ich verstehen muss, dass der (unausgesprochene) Wunsch, Hindus mögen aus ihren Götterwelten purzeln und zu sich kommen, völlig irrelevant ist, sondern dass es  vielmehr darum geht, dass i c h erkenne, dass ich (für mich) nicht mehr vorhanden bin im Alltag ihres Götterolymps und einen neuen Weg finden muss, damit umzugehen. Ach die wunderbaren Götter, welcher unerschöpfliche Reichtum an Wesenheiten, an Zuständen, an Prinzipien, an hohen Ordnungen und menschlichen Verhaltensweisen. Gut war es, dabei zu sein, ich meine wirklich dabei, einmal mit ganzer Seelenwucht etwas so Ungeheures ans Herz nehmen ohne den Impuls eines zwergenhaften Zweifels. Ich denke, das ist nur möglich in Indien, eben weil es eine Lebensweise ist, die offensichtlich so vielen darin Eingebetteten einleuchtet, dass sie es, wohl oder übel, als ihr Schicksal, ihr Karma, erkennen. Und viel Übel ist da, ziemlich viel Übles, das erschreckt jetzt auch in seinem Ausmaß. Vielleicht ist es da, dass das großgeistig gewebte Tuch an der Naht geplatzt ist, damit mal sichtbar werden kann und muss, was sich dahinter verbirgt. Wenn die finsteren Kräfte sich durchsetzen, reicht es nicht mehr, an die Ohren zu fassen, wie Inder es gern tun, wenn sie als arglose Kinder rüberkommen möchten, mit dem Blick nach oben gewandt in die bevölkerten Himmel, von wo aus alles geregelt wird, wird schon stimmen. Nein, stimmt nicht, das bin nun ich, die es sagt. Als ich dann eines Morgens beim Vorübergehen merkte, dass ich nicht von m i r getrennt war, sondern von ihrem ganzen Sein, da erfasste mich so eine Trauer, dass durch sie hindurch die Liebe zurückkam, die mir ja zugeflossen ist durch sie und ganz viel zu tun hat mit meiner Bereitschaft zu staunen über das kosmische Spiel, das muss doch für mich nicht anders sein, als es ist, auch wenn ich es nun von einem anderen Ort aus sehe. Das fällt ja draußen nicht auf, und muss auch nicht auffallen. Der Strom meiner Liebe und Dankbarkeit reicht noch für ein paar tausend Jahre. Wenn ich die Welt nicht liebe, wie kann sie für mich existieren?

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