fürchten

Immer mal wieder dachte ich, es wäre interessant, Photos zu machen, große Photos, für die man aus einer Menge Menschen Einzelne herausnimmt und sie sichtbar macht, so als stünden sie auf einmal als Einzelne da und man könnte sie betrachten. Am interessantesten fand ich die Idee, die Geschöpfe um Machthaber herum zu porträtieren, die gewohnt sind, dass es immer um den Machthaber geht, die aber aus mehr oder weniger guten Gründen dabei sind. Mit einer Lupe habe ich mir mal die Leute um Kim Yong-un angeschaut, da kann man das Frösteln lernen. Wer warum wo dabei ist, und wo Machenschaften geschmiedet werden, die oft tödliche Auswirkungen auf alle PlanetarierInnen haben. Auf meinem Weg hin und zurück von einem Laden habe ich nun gehört, dass es in Deutschland nur e i n e Version von Hitlers ‚Mein Kampf“ gibt, und zwar mit tausenden von Fußnoten, die die Vorgehensweise und Denkweise der Nazionalsozialisten erläutern, damit jeder versteht, was nie mehr sein darf. Dann hat ein Anderer ganz richtig bemerkt, dass niemand diese Fußnoten in solcher Anhäufung lesen wird, und nun kommt in Holland ein unkommentiertes Hitlerbuch heraus ohne Fußnoten. Ich war auch etwas überrascht, als ich in einem Buchladen in Jodhpur eine Ausgabe von ‚Mein Kampf‘ gesehen habe‘, wer hat es wohl mitgebracht? Da die meisten Hindus ein historisches Weltbild kultivieren, in dem die Götter und Göttinnen und ihre Handlungs -und Verhaltensweisen eine große Vorbild-Rolle spielen, dachte man lange dort bis hinein in die Universitäten, Hitler könne nur von Gott zu seiner Rolle geführt worden sein, denn kein Menschlein hat von sich aus so viel Power. Wenn ich die 6 Millionen Ermordeten erwähnte, war das genau die Antwort darauf, obwohl sich auch hier langsam etwas tut im individuellen Denken. Das ist auch sehr wichtig, denn Narendra Modi mag sich hinduistisch lächelnd durch die Weltpolitik mogeln, aber hinter ihm steht auch eine Meute orangefarbener Männer, die bereit sind, ihr arisches Erbe, heißt: die höchste Stelle der Hierarchie einzunehmen und dafür alles auszulöschen, was im Wege steht. Natürlich kam und kommt bei vielen die Geldnot ins Spiel, der Diplomatie-Zwang, der Widerwille, dass man nicht der Einzige ist, der das ganze Ding im Griff hat. Immerhin haben die Inder auch ein ziemlich weit gefächertes Wissen von Anfang an (wo auch immer der Anfang war) darüber, wie man aus dem Ich-Schlamassel wieder herauskommt, wobei noch niemand hat verlauten lassen, dass das ein kontinuierlich herzerfrischender Seiltanz ist. Nein! Liebe, sagte der Mentor, ist der Verzicht auf Mord. Wussten sie, die damals Deutschen alle, dass sie zu so einem enthemmten Morden mehr als bereit waren? Und die Angst, Opfer eines narzisstischen Vernichters zu werden, der sich vollsaugt an den Unterwerfungen, nicht aus Liebe, nein, sondern aus Hass auf den eigenen Hunger nach Kriechenden, die dafür herhalten müssen, was sie selbst entbehren mussten. Als Kinder natürlich, als Kinder. Und da (wir) alle beschenkt sind mit dem Hellsten und dem  Dunkelsten, mit der Kraft und Fähigkeit, uns bzw sich selbst zu sein und Verantwortung zu übernehmen für die eigenen Entscheidungen, muss man davon ausgehen, dass alle so geworden sind, wie sie selbst sich gestaltet haben. Dieses Photo oben ist mir ein paar Mal ins Auge gestochen, immer dieser Mann vorne in der Reihe, bis ich ihn auf dem Bildschirm photographiert habe und das Fürchten hinterfragt habe, das mich da anweht. Ich musste an den Film ‚Inglorious Basterds‘ von Quentin Tarantino denken, und dass er bewusst den Schreibfehler in ‚basterds“ drin gelassen hat, vielleicht um einer dumpfen Dummheit im Kontext dieses Themas Ausdruck zu verleihen. Das Gesicht und die Ausstrahlung dieses Mannes auf dem Photo hat auf mich eine verstörende Wirkung, so als müsste man ohnmächtig zuschauen, wie die Hitlerjugend sich vor aller Augen ungestört entwickelt hat, heute in Anzug und Krawatte, morgen entweder selbst Führer oder beim Herumschwänzeln um den Führer. Da wir alle uns selbst als Last tragen, bis wir etwas durchblicken in den Spielarten, kann man nur wünschen, dass das lebendige Bewusstein einen in jeder Hinsicht fernhält von den menschenschädlichen Idealismen, und dass man eher die Achtung nährt vor der Mühsal des Menschseins und mich bemühe zu erfassen, was ich darunter verstehe.

 

Bild: Demonstration der Rechten in Chemnitz.


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