Böen

 Als ich gerade bei Google News gesehen habe, dass es beim Vatertag Sturmböen gab, dachte ich: Ja, genau, gab’s. Christi Himmelfahrt brauchte auch gar nicht genannt werden, ein sehr abstrakter Vorgang, wenn man sich nicht damit verbinden kann, aber der Vatertag herrscht vor. Der Muttertag hat ja eine sehr emotionale Tiefe. Was haben wir nicht alles an Kunstvollem gebastelt, um die Liebe für sie auszudrücken. Schon im Kindergarten wurde darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, der Mutter etwas Schönes zu schenken. Oft sind, aus vielen verschiedenen Gründen, die Väter nicht nur weniger, sondern überhaupt nicht da, oder nicht mehr da. Vermutlich haben sich auch die Erbfolgengefühle mit der Zeit etwas gelockert, seit mehr Frauen entscheiden können, mit wem, wie, wo und warum sie ein Kind haben wollen. Die Auswirkungen der Tatsache, wenn ein Kind, wie ich, ohne Vater aufwächst, sind auch sehr unterschiedlich. Wie war die Verbindung, bevor er entschwand. Wie hat die Mutter das Entschwinden kommuniziert. Wie war überhaupt die Beziehung der Eltern, bevor sie damit umgehen musste, dass er nicht mehr da war. Es ist erschütternd, wenn man an diesem Punkt des kollektiven Bewusstseins, das nun auch den Kindern von Anfang an waches Bewusstsein zugesteht, wenn man also sieht, wie die Schritte für eine neue Kriegsführung gelegt werden, so als wüsste man nicht, dass dort dieselben Vorgänge wieder stattfinden werden, an denen wir aus dem letzten Krieg immer noch leiden: das Nicht-Zurückkehren der Väter zum Beispiel, und der neue, anspruchsvolle Umgang mit denen die traumatisiert zurückkehren, oft bis zum Ende ihres Lebens. Mit allem anderen kann man umgehen. Es gibt Trennungen, ja, und es gibt auch neue Verbindungen. Es kann wunderbare Neuanfänge geben, und was die Kinder betrifft, so brauchen sie wie alle Menschen den sorgsamen und liebevollen Umgang, unter dessen Schutzschirm die Wesen gedeihen können. Was soll das, das Vaterland ehren und beschützen und verteidigen, was man nur muss, weil andere Väter auf der anderen Seite denken, sie beschützen ihre Familie und ihr Hab und Gut. Ich betrauere doch die Abwesenheit des lebendigen Vaters. Einer, der da war, und dann nicht mehr. Mit dem himmlischen, das konnte nicht wirklich gut gehen. Was sollte ein himmlischer Vater letztendlich für mich tun? Auch ein „Was-wäre-gewesen, wenn…“ hilft nicht weiter. Vielleicht ist es für das Kind wie es für Jesus am Kreuz war, denn es wird ja überliefert, dass er gesagt haben soll: warum hast du mich verlassen.“ Irgendwie war die Verbindung gekappt. Man kann ja mit vielen Gedanken und Empfindungen nichts machen, als sie tiefer und tiefer zu verstehen. Die Dinge sind, wie sie sind. Aber man kommt nicht umhin, sich um den eigenen Schmerz zu kümmern, um den eigenen Verlust. Man ist unter vielem Anderem auch ein Universum mit schwarzen Löchern, deren geheimer Lichtgehalt sich erst bei Durchdringung offenbart.

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