firmen

 
Es ist nun wirklich, was ich einen puren Zufall nennen könnte, im Sinne von etwas unverhofft Schlichtem, das einem entgegenkommt, nämlich, dass ich gestern in eine große Nähe zum Christentum kam, die mir durch die katholische Kindheitserfahrung meiner Begleiterin und ihre Berührung damit in eine Möglichkeit brachte, meine eigenen Verschlossenheiten und Vorbehalte gegen die aufgebauschte Ritualistik religiöser Darstellungen etwas zu lockern. Wir waren also unterwegs und erblickten an einem bestimmten Punkt inmitten des Grüns diese gigantische Kirche, eher wie eine Kathedrale, in deren Eingangstor wir später, bei mächtigem Glockengeläut, eine Menge Menschen hineineilen sahen. Wir gingen auch hinein. Die Kirche war proppenvoll. Es war eine Firmung. Da ich weder katholisch bin, noch von irgendwem jemals zu einem Glaubensweg gedrängt wurde, wusste ich herzlich wenig von dem, was da vor sich ging, aber es erinnerte mich doch in seiner Intensität an die Versammlungen der Gläubigen in indischen Tempeln. Ein Bischof war da in prächtigem und geschmackvollem Gewand. Er trug den Hirtenstab, sehr schön geformt, der ihm manchmal von einem Kirchendiener abgenommen wurde. Das erste Wunder trat prompt ein: Der Hohepriester sprach mit menschlicher, heißt: authentischer Stimme, wer hätte das denken können. Ach ja, die zu Gefirmten Werdenden waren zuvor um das Taufbecken herumgesammelt und mit dem Wasser aus dem Taufbecken mit einem Kreuz auf der Stirn als Neugetaufte gezeichnet, bzw. gesegnet worden. Während sie den Kirchgang auf- und abliefen mit angestrengt ernsthaften Gesichtern, konnte man sie ein wenig betrachten. Viele waren schick angezogen, die Mädchen mit sehr hohen, sehr glitzernden Damenschuhen, offenbar ein modischer Firmungstrend, der der ernsthaften Atmosphäre keinen Abbruch tat. Jugend, von der man erhofft und wünscht, dass sie den Glauben annehmen und darin verankert werden soll. Die Rede des Bischoffs war exzellent, bis sie verführerisch wurde, und manchmal auch schrecklich, nämlich da, wo, verbunden in gemeinsamem Gesangesklang, die unmöglichsten Gedanken eingeträufelt wurden. Man geht ja wohl hier von der Erbsünde aus, ist also, ohne was getan zu haben, in große Schuld verstrickt. Deswegen soll die Jungfrau für die Sünder beim Herrn vorsprechen. Auch mussten alle zu den unglaublichsten Sätzen sagen: ich glaube. Etwa, dass Jesus von den Toten auferstanden ist und zur Rechten Gottes sitzt. Ich kenne aus Indien schon einige, die dort auch sitzen, aber wer weiß schon, wie das läuft.  Allerdings sagte der Priester auch zu den Jugendlichen, sie sollen auf keinen hören, sondern sich ihr eigenes Urteil bilden, auch wenn sie sich dadurch manchmal ausgegrenzt fühlen. Das fand bestimmt inneren Anklang. In einer Nebenszene,  auf der hintersten Kirchenbank sitzend, wurde ich aus einem Kinderwagen von einem etwa 1-jährigen Kind permanent angestarrt und bewunderte den zärtlichen Vater, der angefüllt war mit Glück über seinen Sohn. Ich fühlte mich also beim Beobachten beobachtet und musste immer wieder hinschauen. Dann kündigte der Weihbischof einen unermesslich großen Moment an, der nur erlebt werden konnte, wenn man niederkniet mit gefalteten Händen. Wir knieten nicht, aber lauschten aufmerksam. Die Versammlung begab sich auf die Knie. Es wurde sehr, sehr still, die berühmte Stecknadelstille trat ein, denn er hatte verkündet, dass nun der Geist herabkommen kann und eintreten in diejenigen, die dafür geöffnet sind. Gut, jede Religion kann offensichtlich mit dem Geist machen, was sie will, denn er ist ja niemandes Eigentum. Aber klar, wenn er gerufen wird und einer sagt: jetzt ist er gleich da, da will man doch nicht vom Geist übersehen werden, wenn er schon mal da ist. Dem ist doch eh egal, ob ich kniee oder nicht, ich kenne ihn doch selbst, er ist nicht kleinlich. So habe ich das mal kosten können mit einem offenen Herzen. Schadet doch nicht, wenn man sich einlässt auf etwas, was Anderen mal wesentlich am Herzen lag und immer noch, wenn auch geläutert, dennoch tief liegt. Hauptsache, wir kehren zu uns zurück mit der natürlichen Dankbarkeit für die Möglichkeiten des eigenen Erlebens und des Erlebens derer, die uns nah sind.

Der kleine Puttenengel hing rechts oben im Kirchenschiff an einer Art kugeligem Fußableger der Heiligen Jungfrau Maria und fiel mir ins Auge. Dank digitaler Technik und der globalen Tatsache, dass einem keiner mehr verbieten kann, etwas zu photographieren, konnte ich ihn zu mir heranzoomen. Deswegen entdeckte ich das Kind darunter, das mich unverhohlen erforschte, sodass ich mich selber aus dem Wagen herausschauen sah, mit dem Blick auf mich gerichtet.


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