finster

Es gibt hier einen Priester, der nur für die Zelebrierung des Vollmondes verantwortlich ist. Er ist vom Schauspielerischen her prächtig geeignet und mit der notwendigen Erotik ausgestattet, um aus dem monatlichen Erscheinen des Mondes ein Ereignis zu machen. Gestern bin ich ihm über den Weg gelaufen, und meistens erinnert er mich dann an die kommende Darbietung, aber heute nein, nur eine klitzekleine Puja dieses Mal, weil eine Mondfinsternis angesagt ist, er wusste nicht, ob ganz oder wo zu sehen, und ob wir auch betroffen sind vom kosmischen Schaudern. Ich bin ja immer sehr dankbar, zumindest ein paar Monate im Jahr zu wissen, wann Vollmond und wann Neumond ist. Man kann es auch an den intensiven Gesängen der berühmten Orts-Gesangsgruppe hören, denen diese Momente zum Anlass dienen, das bislang unausgestorbene Gesangsgut am Leben zu erhalten. Obwohl ich früher auch häufig dabei saß und mir die Nächte um die Ohren geschlagen habe, hatte das irgendwann seine Grenze erreicht. Nur ein einziger Ausländer hat es doch tatsächlich geschafft, sich ein Büchlein anzulegen mit den Liedern, und er kommt vor allem nach Indien, um regelmäßig mit ihnen zu singen. Sein Name ist Abdul, er ist Deutscher, der Himmel weiß, wer ihm den Namen verpasst hat, ich kann ihn ja bei Gelegenheit mal fragen. Wahrscheinlich ist auch was Wahres dran, dass böse Menschen keine Lieder haben, denn böse sein und singen passt irgendwie nicht zusammen. Aber zurück zur Finsernis. Inzwischen weiß ich ja, wie man hier zu klärenden Infos kommt: man fragt mindestens fünf Leute auf dem Weg, ob tatsächlich heute eine „chandra grähan“ stattfindet. Sagen drei der Personen dasselbe, kann man davon ausgehen, dass es sich herumgesprochen hat. Also heute nicht nur totale Mondfinsternis, sondern der zweite Vollmond in einem Monat (2. und 31. Jnnuar). Jetzt können die Brahmanen in ihrer Kosmo-Bibel blättern, dem Panchang (indisch vedische Astrologie), den vemutlich noch nie ein Fremdling verstanden hat. Aha! sagt Mahaveer, der ayurvedische Arzt, der Mond wird gegen 19 Uhr total verfinstert zu sehen sein. Das wusste ich schon vom Internet. Was mich dann doch überrascht hat, war bei der Rückkehr vom Rundgang, als Ashok gerade dabei war, den Hanuman- Tempel zu verhängen mit einem Sari. Auch keine Rosenblätter heute. Beim Weitergehen sehe ich, dass alle Tempel geschlossen sind. Der Vishnu Tempel ist mit einem riesigen Schloss verriegelt. Offensichtlich schützt man die Götter vor der kommenden Finsternis. Gut, dass sie die Menschen haben. Der Sadhu, der rechts von meinem Sitz auf einer Mini-Fläche wohnt, erzählt hingegen, dass gerade die Mondfinsternis einen tiefen Frieden mit sich bringt, das freut einen dann natürlich. Heute habe ich auch die ersten Pfauenschreie gehört. Sofort passiert ein Innehalten und Lauschen und Denken: ah, da sind sie wieder, es wird wärmer. Man wird Pfauen mit langen Federn sehen und irgendwo im Schatten stehen und sprachlos auf ihre Tänze starren..
Das erste Bild stammt aus meiner Vollmondserie.
Das zweite Bild habe ich heute früh aufgenommen, ein durch zugelassene Vernachlässigung verfinsterter Krishna am Wegesrand.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert