feiern

Das muss man ihnen neidlos lassen, „den Indern“, wenn ich sie hier nochmal locker gruppieren darf: sie können feiern! Das sagt man sogar gerne, wenn man, wie ich gestern, eher zur Gruppe der Leidtragenden gehört habe, die auch ziemlich groß sein muss, denn die Decibel-Messung des Techno-Sounds, z.B. bei Makr Sankranti, dem gestrigen Fest, muss himmelhoch über das inzwischen gesetzlich festgelegte Maß hinausgehen. Man soll sich beklagen dürfen, aber noch habe ich keinen klagen hören. Vier gigantische Lautsprecher wurden morgens um 6 Uhr von Jugendlichen auf die Höhe meiner und ihrer Terrassen  gehievt, was mich bei aller Begeisterung dann zweimal in die Flucht getrieben hat. Aberaberaber, das ist ja nicht alles, das dröhnt nur durch bis abends. Dazwischen wird gr0ßzügig gespendet, und wirklich alle Herumwandernden sind den ganzen Tag mit Geben und Nehmen beschäftigt, und selbst die Bettler und ihre Kinder, hordenweise unterwegs, schauen mitleidig auf die Zehnrupienscheine, so als wäre man auf einmal ein mickriger Zwerg. Alle paar Meter verausgaben sich Gruppen damit, frische „Pakoras“ herzustellen, und da der Ruf auf dem Spiel steht, kann man sich darauf verlassen, dass die Qualität bestens ist, dh., man kann soviel Pakoras essen, wie man kann. Da ich auch Pakoras liebe, habe ich zum Glück auf meinem Fluchtweg Ashok getroffen, Shivanis Mann, der mich und sie dann mit einer riesigen Sammlung von verschiedenen Macharten dieser köstlichen Nahrung versorgt hat, sodass das Mittagessen ausfallen konnte und mein deutscher Körper, der mehr Butter als Öl kennt, abends ölgetränkt bzw spendengeölt in die Schwere ging. Auf der zweiten Fluchtroute war ich bei Lali, die keinen Bock auf Sankranti hatte und keine Ahnung, wo ihr Sohn seit der Morgendämmerung war, als er mit hundert kunstvoll geschnürten Drachen loszog auf irgendein Dach der Stadt. Dieses Jahr habe ich auch keine Drachen ausgeteilt wie sonst immer, da die Nachrichten schon vor dem Fest doch zu etwas mehr Denken anregten. Überschätzt man sich, wenn man aus etwas aussteigt, weil dadurch Tiere und Menschen jedes Jahr sterben? Vor zwei Tagen ist ein Mann auf dem Motorrad geköpft worden von einer der Schnüre, die überall herumliegen und natürlich auch die Tierliebhaber in Bewegung setzen, um vor allem an den Vögeln zu retten, was noch zu retten ist. So, das ist der Schatten, den jedes Fest auf der Erde zum Ausgleich mit sich bringt.
Als dann der Abend doch nach 13 Stunden unausweichbarem Dröhnen zu einer Stille fand, hatte natürlich das Göttliche wieder
die Abschlussperformance. Kaum setzte die nächtliche Dunkelheit ein, schwebten aus allen Ecken des Ortes gleichzeitig Hunderte von FeuerLampions*, immer mehr, immer mehr kamen zueinander und schwebten ihrem eigenen Nicht-Ziel entgegen, und es sah aus, als hätte sich der Himmel mit allen Sternen für eine Weiterreise entschieden, und war nur kurz zu Besuch, begleitet von unseren Augen.
Noch heute auf dem Rundgang waren überall kleine Öllichter zu sehen mit dabeiliegenden Opfergaben. Meinen Sitz musste ich leerfegen von Mung Dal, der kiloweise im Umkreis für die Kühe ausgestreut war, eine spezielle Gabe, die, wie ich höre, in fernen Gestaden besonders gutes Karma bringen soll. (Business as usual). Es ist eben die Power der göttlichen Instanz oder Substanz, oder wie auch immer man das scheinbar unauslöschliche „Es“ nennen will, denn ohne es würde vor allem hier viel Schönes und Gutes nicht stattfinden können (und viel Schreckliches im Namen des „Es“ auch nicht).
Das erste Bild habe ich mal an Sankranti mit Nachbarskindern gemalt, und im zweiten sieht man einen Teil der schwebenden Lichter im Abendhimmel.

One thought on “feiern

  1. h Antworten

    Drachenfliegen mit grünem Tier – wunderbare zeichnung. Bringst du sie mit!
    Bezaubernder Ausklang des Festes – nahezu Überwältigend mit all den Lichtern….

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