Mond

Dann auch noch Vollmond (3:24:06 heute früh),(und sehr kalt) da kommen jetzt nach den aufgedrückten und sie doch nie ganz erfüllenden Weihnachts-Feiertagen die devoten Hindus wieder in vollen Schwung. Purnima: Vollmond. Sie sitzen zusammen und singen ihre Lieder, das können sie sehr gut, man hört gerne aus der Ferne zu, es stört nicht. Sie können sogar noch einen Teil der Jugend mit den gemeinsamen Gesängen begeistern. Kleine Hefte mit den Texten werden angelegt, und sie werden von den Geübteren mitgenommen in die Lieder. Manchmal lasse ich mir am Vollmond von den Brahmanen die genaue Uhrzeit sagen, wann die Fülle des Mondes ihren Höhepunkt erreicht. Man kann dann lernen, wie eine runde Fülle in Sekundenschnelle wieder ihrer Entleerung zustrebt. Nach meinem Rundgang heute bin ich doch auch etwas erstaunt, keinen einzigen Einheimischen zu treffen, der den sogenannten „Rutsch“ der Zahlen wach erlebt hat. Ihr Neujahr ist im März und schreibt dann das Jahr 2075. wie gesagt: volle Fahrt voraus, das ist der Vikramkalender, und das Neujahr der Muslime ist auch vorher. Aber die Straßen waren eben auch hauptsächlich angefüllt mit indischen Touristen, ja, auch Familien, aber vor allem große Gruppen indischer Männer, die ziellos und oft sehr betrunken durch die Straßen ziehen und am nächsten Tag auffallend schlechter Laune sind, weil sich das vorher mit Phantasie Aufgetankte nicht umgesetzt hat. Das erinnert mich schon an die berüchtigte Kölner Sylvesternacht und zeigt den gefährlichen Abgrund, der sich auftun kann, wenn die vorgegaukelte Realität einer globalen Gesprächskultur nicht in der notwendigen Reife angelangt ist, um auf dieser Ebene überhaupt hoffen zu dürfen. Andrerseits ist auch das nur Teil der aufsteigenden Weltmacht Indien mit ihrer rasanten Entwicklung in eine Moderne, die schwierig zu sichten ist. Ich rede mit Prakash darüber. Über was reden wir? Er ist hell begeistert, dass die Jüngeren (er ist 48) auf allen Bahnen  durchbrechen, rauchen, auf Parties gehen, Alkohol trinken und Sex vor der Ehe haben. Das ist prima. Die westlichen Sixties kommen in Schwung, allerdings mit Smartphones bestückt, die Kommunikations-Raketen. Die Meinungsbildung (meine) erlebt ein weiteres Signal hin zur Beschränkung. Ich weiß ja, dass dringend notwendige Öffnung dieser Kultur hin zu authentischer Weltverbindung nicht nur angesagt ist, sondern das läuft schon auf vollen Touren, sodass man eigentlich nur mitschwingen kann, allerdings mit eigenen Rhythmen und eigener Stimme. Es geht ja nicht um die verpflichtende Mitgliedschaft in einem Chor, sondern z.B. zu sehen, wie inmitten dieses anarchischen Aufbruchs, und gerade dadurch, sich Oasen bilden können, wo Einzelne sich um das kümmern, was sie für das Wesentliche halten und herausfinden, was ihnen wirklich am Herzen liegt, und welche Wege dafür geeignet sind. Das gilt ja nicht nur für hier, sondern auch für dort und bezieht sich eher auf lichte und belichtete Seiten, die man nicht aus den Augen verlieren möchte.

Bild: my moon


One thought on “Mond

  1. h Antworten

    Zu my moon: schön intensiv… / bei uns nach dem vollmond viel sturm. / die neuen freiheiten sind wirklich für einzelne… die sich selbst kennenlernen und nicht mehr der Masse und den Moden folgen. Gestalterinnen….

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