01.01.

(….hab acht, hab acht, es spricht die tiefe Mitternacht. Aus tiefem Traum bin ich erwacht. Die Welt ist tief, und tiefer als der Tag gedacht…) (tief ist ihr Weh…)*
Und dann am Morgen kam der alte Mann, pünktlich wie immer um 6 Uhr 30, an die oberste Stufe der Treppe vor meiner Tür, und hat getrommelt. Er trommelt immer so 10 Minuten und in eigenem Auftrag für seinen Gott, den See, und lässt nie einen Tag aus. Er trommelt besonders gut, was man nicht von allen Trommlern sagen kann, außer natürlich von Nathulal Solanki, der sich aus niederster Kaste hochgetrommelt hat und nun trommelnd die Welt bereist. Seine Söhne trommeln auch, nachmittags direkt vor meinem Fenster auf einer kleinen Empore, angestellt und bezahlt für seinen Dienst vom Krishna Tempel, während der andere Bruder Heerscharen von Westlern genug Trommeln beigebracht hat, um irgendwo weiterzutrommeln. Alles, was mit Tierhaut zu tun hatte, wurde früher geächtet, was auch dem Plastik zum Schub in die Verwüstung der Landschaften verholfen hat. Auch Lederschuhe haben einen königlichen Status erreicht, und unter den Frauen beobachte ich den Anstieg des vertrauten Schuhfetischismus, der nichts mehr damit zu tun hat, was ein Mensch während seines Lebens braucht als Polsterung zwischen sich und dem Boden. Keiner fragt mehr, wo die Häute herkommen, und da sind wir schon in der neuen Zeit: 0-1 /0-1.
Das war doch ein fließender Ausklang des letzten Jahrestages am Sonntag. Gestern packte mich kurz so ein versteckter Trieb, der dem Montag auch einen rigorosen Anfang zugestehen wollte mit der Idee, größere Wäscheteile in der Waschmaschine auf Topform zu bringen, aber sie funktionierte nicht, ich war erleichtert. Man muss ja auch nicht auf der Schwelle zur Acht nochmal auf Kellerebene nachschauen, ob was übersehen wurde, dann geistig hochschwingen in die leeren Himmelsgärten, um letztendlich auf der Terrasse einer fremden Kultur hochzufrieden und entspannt einen guten Kaffee zu trinken…..2017….meine Güte, immer so viel, und was ist das, ein „gutes“ Jahr, und für wen und wodurch und wem möglich? Die Kunst, täglich einen gelungenen Tag zu gestalten, wird einen ja weiterhin beschäftigen, nicht als Karotte, sondern eben durch die Möglichkeit, sich in dem, was man. ist, entspannt aufhalten zu können. Ein indischer Meditationspraktizierender (eher eine Seltenheit) meinte mal, er würde Tage schätzen, die wie Perlen aneinandergereiht sind. Das fand ich damals ziemlich langweilig, aber jetzt finde ich das Bild angenehm. Man kann das erst schätzen, wenn man die Arbeit kennt, die drinsteckt (das Tauchen! Die Austern!), bis die Perlen zur Kette werden. Ein kostbarer Schmuck im Strom des Vorübergehens: Tage wie Perlen…..
 * frei erinnert aus dem „Nachtlied“ von Nietzsche

One thought on “01.01.

  1. Erika Kenter Antworten

    Eine schöne, ebenmässig glänzende Perlenkette möge das Jahr 2018 für Sie sein. Mit herzlichen Grüßen,
    Ihre Erika

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