überwältigt

Sicherlich kann man nicht viel Gutes über Überwältigtsein-oder werden sagen, aber wer in Indien eintrifft, erlebt meist ein müheloses Überwältigtwerden durch die einen überflutenden Eindrücke. Das kann und hat schon immer zu Nebeneffekten geführt oder schlummernde Krankheiten erweckt, und ziemlich viele Foreigners sind in den nächsten verwirrten Schritt gestolpert, der verschiedene Formen von Verrückt-Sein hervorbringen kann, mitunter auch mit nationalen Eigenarten. Andere sind geflohen, und wieder Andere haben sich durch die Lehren geschleust und die Überforderungen mit den angebotenen Ordnungen geschlichtet. Es gibt natürlich auch das Überwältigtsein durch tiefes Erleben, das ist wohltuend und förderlich, und dann gibt es die harmloseren Formen, von denen ich heute eine hatte. Dann formt sich sage und schreibe (genau das, was mir dann fehlt) nichts in meinem System, bis ich das Notizbuch sinken lasse, und schaue mich um. Ich bin umgeben von einem Lemurenstamm, einer silberhaarigen und schwarzgesichtigen Affenbande, die öfters hier entlangturnt, und unter denen eine Krankheit tobt und oft die Kinder so schwächt, dass sie sterben. Es sieht aus wie eine Grätze, und sie kratzen sich das Fell ab, manche bleiben gesund und manche erwischt es. Gleichzeitig bereitet sich eine Gruppe von ungefähr hundert Männern aus irgend einem fernen Dorf vor meiner Nase auf ihr Bad vor, und ich entscheide mich, zum Banianbaum zu wechseln, in dessen Blätter ich dann ziemlich sinnlos hineinphotographiert habe, weil das ganze Ausmaß des Baumes und vor allem seine Wirkung nicht zu fassen sind. Fassungslos, vielleicht ist das ein besseres Wort für den Zustand, denn Indien ist das Fassungslose an sich, vielleicht haben sich deshalb hier so viele Fassungen gebildet, die alle ein Halt sind im Unfassbaren. Der spontane Ausbruch innerer Heiterkeit ist auch sehr hilfreich, muss ich immer wieder feststellen. Lachen stellt sich als eine souveräne Methode dem Fassungslosen gegenüber heraus, denn man kann es nicht selbst aktivieren, sondern es bricht sozusagen aus einem hervor. Und da man hier nach außen immer gerne die höfliche Variante wählt, kann es innen ziemlich locker und leicht werden. So setze ich also heute meinen Rundgang fort, hole ein paar Rosen ab bei Ashok und laufe weiter. Da erspäht mein Auge den Kuhfladen. Ich fasse es nicht: da hat jemand, das kann nur ein Brahmane tun, auf einem Kuhfladen eine Puja (religiöses Ritual) gemacht, kein Zweifel. Ich habe schon Brahmanen gesehen, wie sie andächtig den Kuh-Urin trinken, weil heilig, aber das sehe ich zum ersten Mal. Ich schaue um mich, weil ich mit dem Smartphone bei dieser Handlung nicht erwischt werden will, und oh Wunder, keine Gefahr in Sicht, so konnte ich zur Beweisführung dieses Bild machen, auf dem man sieht, dass alle notwendigen Items der Puja vorhanden sind: Reis, Sandelholz, und Kumkum, das rote Tilakpuder. Man lernt auch, dass die Meinungsbildung oft überflüssig ist, vor allem, wenn es einen selber nicht mehr so kümmert, was man meint. und das hilft einem dann auch weiter.
Die Bilder zeigen in redlicher Folge eines der erkrankten Lemurenkinder, dann ein schlichter Blick in den Baniauanbaum, und den gesegneten Kuhfladen. (Holy shit!)

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