bleiben

Eine gute Dosis Fremdsein ist immer, das hört nie auf. Selbst wenn wir immer wiederkämen, es könnte nicht aufhören, es ist der Planet und seine Bedingungen. Was mich in der momentanen Erfahrung der Zeit betrifft, so spüre ich gerade nichts von kosmischer Poesie am Nabel des Seins, eher die Freude an der Stocknüchternheit, wobei der Stock sich noch etwas wandeln könnte, vielleicht in die leichte Nadel eines Kompasses (Nadel-Nüchternheit). Die Nadel des inneren Kompasses ist nervös und beweglich, wie es so ihre Art ist, also mal Osten, mal Westen (mal Norden, mal Süden), und nirgendwo kann sie beruhigt bleiben, weil auch die Richtungen neu geortet werden müssen. Auch wenn man sich sehr lange in einer anderen Kultur aufgehalten hat, wäre es närrisch zu erwarten, dass die Fremdheit, oder das Anderssein  je ganz verschwindet. Warum auch. Als ich mitten im Wüstensand mit Hilfe einer Bruderschaft einen Tempel gefunden hatte, für dessen Betrieb ich zwei Jahre lang verantwortlich war, war es meine Fremdheit, die das Ganze vertraut machte, meine westlichen Augen und Ohren, meine Begeisterung für eine Kultur, die ein solches Leben überhaupt erst möglich machte. Die spannenden Prüfungen des Andersseins bestehen ohne den Verlust des Vertrauens. Wir konnten diese Seinsweise eben gar nicht wirklich kopieren, sondern was sie da hatten, das gab es bei uns gar nicht, darauf konnte man sich nur einlassen. „Geh‘ zurück in dein Land und mach‘  dort deine Dhuni (der Ort, an dem das Feuer zu hüten ist), sagte mal ein Polizist zu mir, der wusste, dass mein Visa abgelaufen war. Da gab es hier noch kein Fernsehen, und die meisten hatten noch nie ein anderes Land gesehen. Eine wirkliche Fremdheit kommt aber erst jetzt auf, wenn das, was für uns so kostbar war, eben das Andere von ihnen, gar nicht mehr zu finden ist, vielleicht noch etwas an der Oberfläche. Und das Verständnis, das es aufzubringen gilt für das neue Habenwollen der nie gehabten Güter, die Logik im Rahmen des indischen, kollektiven Werdegangs, der geprägt ist, wie prophezeit von den Sehern, von der Gier nach den Dingen, die die neuen Seinsprogramme gestalten. Schablonenhaft legt sich das Vergessen über den Götterhimmel. Die Geborgenheitsschaukel ächzt in den Scharnieren. Das einst gerne reflektierte Selbst wird endgültig verschachert als Ich. Na gut, aus „es“ soll „ich“ werden, zumindest eine Chance für Einzelne, Geist und Materie in Einklang zu bringen. Das wird dauern, genauso lange, wie das westliche Yoga braucht, um glaubwürdig zu werden. Daher nehme ich nun Licht und Schatten widerstandslos mit an den See. Auch ich bin verwandelt. Will ich bleiben, weil es noch etwas zu tun gibt, was ich gut kann? Zum Beispiel unermüdlich meine Überzeugung kundtun über Wert und Substanz dieses Daseins, und dass ich (u.a.) auch hier unter ihnen als Frau meine eigenen Wege gegangen bin und immer noch gehe, und meine Gedanken, geschult von Systemen, ja, aber dann doch aus der eigenen und direkten Erfahrung kommend. D a b e i bleiben.

2 thoughts on “bleiben

  1. Ursul Antworten

    Ah, nun habe ich gesehen, dass ich wohl erst am nächsten Tag für die jeweilige Eintragung etwas hinterlassen kann!
    Erst einmal freue ich mich, dass mit dem Affenpaar etwas gelungen ist, was selten, vielleicht einzigartig ist …
    Und auch meine Gedanken mit guten Wünschen gehen zu dem noch so jungen Bruderpaar, möge auch ihr Leben reich an gelungenem sein.
    Dann wollte ich noch ausdrücken, wie, ich kann nur sagen, wunderschön ich den Text von heute finde. Er strahlt etwas goldenes aus, mit welcher Ruhe er in mir angekommen ist, ein ehrwürdiger, sanfter und klarer Blick ….
    Ja, das wollte ich anmeken *

  2. tayyebeh Antworten

    oh ha!!…da möchte ich mich anschliessen( an Ursula)….apropos Affenpärchen….wie schön! …..es gibt sie die Liebe…überall ° )))

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