trauern/feiern

 

Das erste Bild habe ich heute früh von meinem Fenster aus gemacht. Die Spezialbeleuchtung gehört zu dem Festival, das heute beginnt und zwei Tage andauert. Ich bin aber nicht in Feierlaune, obwohl es letztes Jahr ein paar wunderbare Gesänge gab aus verschiedenen Ländern, und vielleicht wird es Trostreiches geben für die Ohren. Der kleine Zwillingsbruder hat es nicht geschafft, ich wusste es gleich, weil niemand von der Familie bei der Arbeit am See erschienen ist. Das Bild rechts ist für ihn. Ich denke, er steht auch für die Trauer, die ich trage für die unheimliche Anzahl von Kindern, die entweder aus irgendeinem Grund ihr Leben nicht leben konnten, auch ich war beteiligt an diesen Gründen, oder aber so früh durch Kriege oder Vergewaltigungen ein Leben hatten und haben, das vor allem mit Entstörungen beschäftigt ist. Diese Kriege und diese Grauenstaten, die niemals wirklich enden, die Mütter und die Väter mit den verdunkelten Geschichten, die Brüder und die Onkel. Als ich heute früh mit drei Brahmanen über den Kleinen gesprochen habe, ging ihre Geste automatisch nach oben, wo der Große Entscheider wohnen soll über Tod und Leben. Meine Kompassnadel zeigt auf menschliches Fühlen und Leiden hin, das getragen werden muss und geteilt. Das ist schön hier, vor allem für mich, dass ich überall alles offen und kastenungebunden ansprechen kann, denn noch sind sie erreichbar, wenn auch 80% der Anwesenden mit ihren Smartphones beschäftigt sind. Gestern erzählte mir Sunita, dass ihre zwei Söhne, wenn sie nach Hause kommen, gar nicht mehr mit ihr reden, sondern nur noch mit den Smartphones beschäftigt sind. Man kann natürlich leicht ermüden bei diesen Themen, aber für mich war Indien auch immer ein Land, in dem die Dinge, die wir selbst kennen, bei ihren Erscheinungen beobachtet werden konnten und können. Das Ausmaß der Wirkungen, wenn ein Großteil der Bevölkerung auf einmal auf technische Scheiben starrt statt auf das Jetzt, das Da, die Daseienden. Die sichtbaren Spuren im langen Prozess der Entmenschlichung. Denn erstaunlich: alle scheinen zu wissen, dass da nichts mehr aufzuhalten ist. Dass da tatsächlich etwas Unheimliches in Schwung geraten ist, eine von Lebenden ausgelöste Entgrenzung, die ihre vielfältigen Wege sucht, ohne dass irgend jemand diese Wege noch kennen kann. Jetzt bin ich schon einen Monat hier, und ja, schon auch mittendrin. Aber es ist fast so, als wollte etwas in mir die innere Teilnahme am Schmerz vertiefen, denn ich bin ganz froh, dass ich ihn spüren kann, den unvermeidlichen, in mir selbst und den Anderen. Und dann auch, nie zuletzt: das Sonnenlicht und die Farben, das Papier und die Pinsel, und WhatsApp!

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