Glück

Ich hatte hier in und mit Indien das große Glück, mich von Anfang an zutiefst dafür zu interessieren, obwohl ich in meiner Jugendzeit niemals an Indien oder eine Indienreise dachte. Aber ein guter Freund von mir hat mich gelockt mit der Beschreibung einer Schule, die von dem Poeten und Philosophen Rabindranath Tagore in Shanti Niketan bei Kalkutta gegründet worden war und die es wohl noch gibt. Es war nur ein Lockvogel, den ich kam nie hin, dadurch aber nach Indien, über Land, wie es einige Jahre noch üblich war. Und ich konnte New York verlassen, das mein Leben doch ziemlich anders geprägt hätte. Wenn ich an diese ersten Eindrücke in Indien denke, so entsprechen sie der Erinnerung an die Begegnung mit dem total Anderen, aber eben nicht total Fremden. Das ist die natürliche Magie Indiens bzw. der Hindukultur, dass es ihnen gelungen ist, auf alle Menschen, die es auf Anhieb lieben, den Eindruck eines offenen Groß-Raumes zu machen, in dem sie willkommen sind, und auf die man neugierig und freundlich schaut(e). Und, wie gesagt wird, dass man es nur lieben oder ablehnen kann, so ist es einem sehr gut bekommen, wenn man es geliebt hat, das Land mit den berühmten Orten der Millionen Götter, den Bergen, wo sich einsam Praktizierende in endloser Reihenfolge auf seltsamste Arten und Weisen abgerackert haben und niemand je wusste, wo und wer sie wirklich waren, wenn auch wenigstens ernsthaft bei der Sache. Ich habe auch mal einen Atheisten getroffen, der schien einfach wie ein weiterer Gläubiger. Überhaupt sind sie hochgeistig fit, die Inder, immer noch muss man damit rechnen, dass man so einen trifft, der alle Schatten verschwinden lässt und alle Zweifel über die Substanz des Geistes, der immer zu allem fähig ist, zu jeder Höhe, zu jeder Tiefe, zu jeder Weisheit, zu jedem Zugang in die Transzendenz. Dieser indische Geist hat eine offenherzige, oft sehr gelehrte Kraft und Macht, und es war in der Tat eine Freude, immer mal wieder, auf alten Steinen herumsitzend, von ihnen etwas Bedeutsames zu lernen, wenn man sie genug angefeuert hatte mit neugierigen Fragen. Als das Leben, vor dem Fernsehen und aller weiteren Technik, noch überschaubar war und alle miteinander im direkten Gespräch, konnte man noch eine Verbindung spüren zwischen der Weisheit der Worte und ihrer Umsetzung in das praktische Leben, die jetzt nicht mehr zu finden ist. Eine neue Zeit ist angebrochen mit neuen Wegen. Dieser Weg in Indien, vom „Wir“ ins „Ich“ zu wandern, ist ebenso mühsam und gefahrenreich wie im Westen der Weg vom „Ich“ zum „Wir“, dem wir so zutiefst widerstreben, weil es so viel einfacher ist, von den Anderen um einen herum distanziert zu sein. Ich meine jetzt nicht nur die kleine Gruppe, sondern alle WeltbewohnerInnen. Man muss auch erkennen, was eine Zeit von einem fordert, was angebracht und förderlich ist für das Weitergehen. Alle Praktiken weisen letztendlich auf eine brauchbare Logik hin, und die mag variieren oder tausende von Jahren den gleichen Gesetzmäßigkeiten folgen, aber dann gibt es auch die Kairos Zeit, wo ein Spalt sich öffnet im kosmischen Raum und vieles ermöglicht, was vorher nicht möglich war, und auch hier gibt es noch Bedingungen. Ob es das Bedingungslose wirklich gibt, ist noch nicht durchgesickert.

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