trotzdem

Das kleine Bild vorne zeigt den Ausblick aus meinem Fenster am dritten Tag ohne den geringsten Sonnenstrahl, und das schwarze Viereck darauf in der Mitte zeigt die Überreste der Badenden, die im November Vollmond, der besonders heilig ist und eine gute Million Pilger lockt, hier gebadet haben. Ich muss das nochmal kurz revidieren, dass Glauben nicht (mehr) selig machen kann, denn offensichtlich kann er noch. Ja, der Cyclone „Ockhi“ stürmt durchs Land und bringt kalte Winde mit sich, die wir hier zu spüren bekommen. Es ist ja nicht so, als könnte man einfach die Zentralheizung einschalten, denn es gibt sie nicht. Lali, deren Familie ein Restaurant betreibt, kocht dann schon mal auf einem kleinen Kohleövchen, wo man warten muss, bis alles glüht, sonst stirbt man leicht durch den Wunsch, sich warm zu halten. Wer es sich leisten kann, macht einen nicht minder gefährlichen Heizkörper an, der den im heißen Sommer geschätzten Marmor etwas abmildert, vor allem aber die elektrischen Kosten hochschießen lässt. Bei so einem Wetter muss man sich auch hüten, nicht in die Fänge der Kollektivpsyche zu geraten, die man für betäubt gehalten hat, die nun im gemeinsamen Ertragen aber wieder aufblüht. Wer was auf sich hält, tut so, als wär‘ nichts, was natürlich besser ist, als zu klagen, was man eh aushalten muss. Rahul Gandhi, der gerade hochgeboxt wird vom Vizepräsidenten zum Präsidenten der Kongress Partei, hat wegen Ockhi seine Touren für ein paar Tage abgesagt. Sein Schicksal ähnelt dem von Charles aus England, denn irgendwas will einfach nicht klappen. Sonia Gandhi, seine Mutter, war und ist zwar hochgeschätzt, aber auch bei ihr waren die Thronbohrer schon unterwegs und wollten sie immer mal wieder durch ihr italienisches Blut zum Stürzen bringen. Nun wird Rahul, der sich durch einen Bart der Weichei-Häme zu entziehen versucht, angezweifelt, ob er als ein wahrer Hindu gelten darf. Da könnte man schon manchmal einen Schrei der Verzweiflung ausstoßen. Eigentlich hassen die Inder die Gandhi-Dynastie, aber meiner Meinung nach sind sie weniger gefährlich als Narendra Modi, in dessen geheimen Gehirnwindungen sich Schwaden von hinduistischem Fanatismus (noch) verbergen können, und da er die Weltmacht anstrebt, während Kim jong un und Donald Trump den Weltfrieden gefährden, kann er die heiligen Triebe immer wieder kontrollieren. Die Demonetisierung, mit der wir letztes Jahr unterwegs waren, hat auch nicht geklappt. Nicht nur werden ständig Falschgeldhersteller verhaftet, sondern die Preise sind derart gestiegen, dass Unmut sich breitmacht. Und das für Gemüse zum Beispiel, um das keiner herumkommt, und das nur noch, zumindest in meinem Haushalt, durch westliche Gewürzmischungen in kleinen Tüten, die ich mitgebracht habe, zu einem aufgewerteten Geschmack kommt. Und klar, was soll schon in dem Gemüse stecken, wenn man selbst mit einem müden Blick drauf schaut, nein, nicht nur man selbst, alle! Deshalb muss man sich hüten vor dem ermüdeten Blick, so berechtigt er auch manchmal erscheinen mag, denn er vernebelt das potentielle Licht im Blick, das ja auch vorhanden ist. Daher habe ich an den vernebelten Ausblick oben im Bild die Pinselei angelegt, die mit einem Pfeil in die offene Zukunft weist und das müde Auge einfach mit trägt und es dadurch zweifellos erfrischt.

One thought on “trotzdem

  1. h Antworten

    … wirklich sehr ungewöhnlich das langanhaltende nebelwetter am heiligen See. Wie hältst du dich warm? Das Foto und Zeichnung sprechen innig miteinander? Bin immer wieder erstaunt, wie du mit den Wasserfarben steinartige Materie zeichnest.

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