neblig

Das Bild zeigt eine Gottheit, die sich schlafend aus der Welt beamt. (Vielleicht ist sie mit einem blauen Auge davon gekommen, das würde mich nicht wundern). Vor allem auf der kreativen Ebene kann man sich an der Deutungsfreiheit erfreuen, denn sie ist u.a. da, um sehen zu lernen, was man sieht, was nur bedingt auf einen selbst schließen muss. Auch der Blick auf die Welt und die Anderen ist unaufhaltsam eigen, aber mit der Bestrebung, sich ein klares Bild zu verschaffen, kommt auch der Rahmen der Bedingungen in Schwung. Was ist ein klares Bild? Einige Meter von  meiner Eingangstüre sitzt so ziemlich den ganzen Tag ein Mann, der nichts anderes tut, als die Pilger auf dem Weg zum Bad um Geld anzuhauen. Aber er bettelt nicht, sondern er fordert Tribut auf der Basis seiner Brahmanengeburt. Geben sie nicht, flucht er hinterher, dass er Brahmane sei, und ihr werdet schon sehen, was das mit eurem Karma macht. Einst hatte man tatsächlich Angst vor ihnen, denn noch, als ich selbst hier ankam, wurde mir diese Kaste als Magier vermittelt, die kraft ihrer Mantren Unheil über einen bringen können. Die Zeiten, in denen man selig wird, wenn man glaubt, sind auch endgültig vorbei. Dagegen ist das Wundern nicht schädlich und nicht ermüdend, im Gegenteil, es hält auch das Viele, das man nicht erfassen kann, in einem Gleichgewicht mit dem anderen. Denn es gibt sie ja, die lichten Ereignisse, jetzt mal abgesehen von den tiefsten Bedeutsamkeiten der Liebe. Und was habe ich nicht alles hier gelernt, was ich täglich anwenden kann: ich kann eine Kuh vor mir herschieben, um den Weg frei zu machen, oder mit einem Zischlaut einen Hund vom Bein halten, oder ich weiß genau, wo eine Frau pinkeln kann, ohne unter den sich gottähnlich Fühlenden einen Skandal auszulösen, und vieles mehr. Auch in der Zeitung, ganz hinten nach den ganzen Gruseligkeiten, gibt es die Seite mit Artikeln, die oft lesenswert sind. Gestern hat eine Frau darüber geschrieben, wie die indischen Eltern ihre Kinder offensichtlich für total verblödet halten, da sie ihnen nicht zutrauen, ihre eigenen Partner zu wählen, und rät den Eltern zu therapeutischer Behandlung. Es ist das selbständige, genaue Hinschauen, das zu den notwendigen Erschütterungen führt, die eine Veränderung überhaupt erst möglich machen. Diese Kinder, deren Heiraten nach wie vor arrangiert werden mit sehr wenig Ausnahmen, posten und pasten täglich wie wild vor sich hin, und haben Zugang zu allem, was Körper und Kopf begehren. Die Ehe hat viel mit Geldverbindung zu tun. Ist Geld da, läuft die Sache besser. Da verlasse ich gerne das Terrain wegen Unkenntnis. Ansonsten geht im Land immer noch ein Wirbelsturm um, der auch hier alles in Nebel hüllt und das Geisterhafte hervorhebt.

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